Der Auftritt von Julian Schnabel ist raumgreifend, alles dominierend. Noch mitten im Eintreten, hinter sich den Mit-Künstler Jiří Georg Dokoupil, Reiner Opoku als Gastkurator und Tayfun Belgin als Museumsdirektor, gibt er Anweisungen, die Stühle zur Seite zu rücken: Nicht hinsetzen und Fragen beantworten, sondern gemeinsam von Bild zu Bild laufen und darüber reden, wobei Schnabel die meiste Zeit redet, aber genauso interessiert an Kommentaren ist. Das Erlebnis dieses eineinhalbstündigen Pressetermins ist, Julian Schnabel beim Betrachten und Versprachlichen zuzusehen. Die Bilder – großformatige Gemeinschaftsarbeiten – hat Schnabel seit ihrer Entstehung vor sechs Jahren nicht mehr gesehen; damals ist die ganze Serie innerhalb weniger Tage entstanden. Nicht rauschhaft, sondern kontrolliert, so dass jeder das Beste aus seinem Repertoire abgerufen hat.
Angefangen hat alles mit Schnabels Besuch bei Dokoupil im Atelier, damit dass einer der beiden mit dem Pinsel auf der Schutzfolie über dem Boden etwas verdeutlichen wollte. Schnabel hat kantige Balken und Kreuzformen gesetzt und Dokoupil hat die für ihn charakteristischen Seifenblasen – zarte transparente Umrandungen – förmlich zerplatzen lassen, so dass sie als fragile Volumen erhalten bleiben. Jeder Künstler hat auf den anderen reagiert, Schmutzwasser wurde mit dem Besen verteilt und die Verdichtungen der Farbe führten zur nächsten Malhandlung. Man erkenne genau die Pinselführung von Schnabel, sagt Dokoupil während des Rundgangs.
Im Grunde bilden die beiden eine Art Supergroup. Der aus der Tschechoslowakei stammende, vorwiegend in Deutschland ansässige Jiří Georg Dokoupil (*1954) und der New Yorker Julian Schnabel (*1951) haben in den 1970er und 1980er Jahren die Malerei der „Jungen Wilden“ mitgeprägt, wobei sie die Weite des Spektrums dessen verdeutlichen, was als expressive Figuration Zeitgeist war. Während Schnabel vor allem mit Bildern berühmt wurde, auf denen Scherben appliziert sind, sorgte Dokoupil als Mitglied der Kölner Künstlergruppe „Mülheimer Freiheit“ mit Figurationen zwischen Dilettantismus und Originalität für Aufsehen. Die malerischen Gesten beider Künstler sind heute, vier Jahrzehnte später, gesettled und doch experimentell. In den Gemeinschaftsarbeiten ist alles Abstraktion. Die einzelnen, wenig farbigen Elemente halten sich in einem schwebenden Zustand neben- und übereinander, sie zeigen selten Ungestüm, mehr Nachdenklichkeit. Natürlich könne man diese Formation als Pferdekopf lesen, sagt Schnabel vor dem einen Bild. Und die gewellt ansteigenden Linien im anderen Bild würden an eine Landschaft, ein Gebirge erinnern, ergänzt er. Oder vielleicht doch nicht?
Hilfreich für das Verständnis, aber auch die Klärung der Anteile an den Bildern ist im Osthaus Museum, dass von beiden Künstlern zudem Einzelwerke zu sehen sind: Dokoupil zeigt ein aktuelles Querformat direkt am Eingang der Ausstellung, und Schnabel hat in den Kabinetten eine Retrospektive seiner Druckgrafiken – und dann sieht man erst recht noch einmal, was für spannende Künstler in Berlin 2015 zusammengearbeitet haben.
Jiří Georg Dokoupil & Julian Schnabel – „Two Czechoslovakians walk into a bar“ | bis 15.8. | Osthaus Museum Hagen | 02331 207 27 40
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