Schon von der Ausstellungshalle aus leuchten die Gemälde von Mally Khorasantchi im offenen Zwischengeschoss darüber: ein All-Over aus flirrenden vegetativen Verläufen und blättrigen Flächen in hellen, oft pastellfarbenen Tönen, das in seiner Großzügigkeit unbeschwert wirkt – von weitem. Aber so gemütlich ist es mit dieser intensiven Malerei nicht. Bereits der Auftakt der Ausstellung im Osthaus Museum rückt die Verhältnisse klar. Die acht Hochformate der Jahre 2008 bis 2010 sind dunkler und irgendwie spröde, weil auf die Leinwände gräulich oder beige Schwarzweißfotografien aus dem Familienalbum geprinted sind. Diese betreffen einerseits die frühen Stationen der 1948 geborenen und in Düsseldorf aufgewachsenen Künstlerin, die seit Jahrzehnten in Florida lebt, andererseits stehen sie für die deutschen Nachkriegs- und Wirtschaftswunderjahre. Nun hat Mally Khorasantchi sie malerisch umrankt. Herausragend ist das Bild eines Mädchens mit langen Zöpfen, das von einem Meer gemalter Rosenblüten umfangen ist: Die Malerei verdichtet, aber lässt doch jede der Blüten für sich atmen. Und sie weist den Weg zu den weiteren ausgestellten Gemälden der Jahre 2018 bis 2021.
Immer wieder hat das renommierte Osthaus Museum unter der Leitung von Tayfun Belgin Ausstellungen veranstaltet, mit denen man nicht gerechnet hat oder von denen man nicht einmal wissen konnte – die der deutsch-amerikanischen Malerin gehört dazu. Obzwar Mally Khorasantchi sich ihr Leben lang mit Kunst beschäftigt und ein Malerei-Studium absolviert hat, ist sie erst Anfang der 2000er Jahre mit Ausstellungen an die Öffentlichkeit getreten. In Deutschland hat sie erstmals 2008 ausgestellt; die frühen, nun in Hagen gezeigten Bilder sind mittlerweile im Frauenmuseum Bonn untergebracht. Was die aktuellen Gemälde betrifft, so mögen sie in ihrer Flächigkeit und den farbigen Abläufen Wurzeln im europäischen Tachismus besitzen, aber von nahem sind sie eben anders, schon indem sie das Licht ihrer Wahlheimat Naples in Florida ausstrahlen. Sie vermitteln eine expressive Schwebe zwischen Naturbeobachtung und Verselbständigung des malerischen Wucherns hin zur Abstraktion. Schwerpunkte im Bildgeschehen bilden fließende, oft floral angelegte Farbformen, vorwiegend in sattem Rotorange, Hell- oder Dunkelblau und Weiß, bei mehreren Gemälden durchschossen von sechseckigen Rastern, die den Eingriff der Zivilisation anzeigen.
Der Wechsel der Betrachtung aus dem Abstand bis unmittelbar vor die teils zwei- oder dreiteiligen Leinwände gibt inmitten der ausgreifenden oder fließenden Farbbewegungen collagierte Fotografien und Postkarten zu erkennen. Die Collage forciert den Blick in tiefere Schichten, lässt in das Farbgeschehen eindringen, wird von Strudeln umfangen, wirkt einmal harmonisch, dann bewusst appliziert und als Störfaktor. Nachvollziehbar wird, wie sich das Bild in seinen Einzelheiten aufbaut, zusammenfügt und dabei ordnet. Die Bilder verweisen autobiographisch auf das private Leben, aber sie legen genauso gesellschaftskritische Fährten, ermuntern, sich engagiert einzumischen und verdeutlichen, welche Rolle die Natur spielt: Mally Khorasantchis Malerei ist eine Entdeckung.
Mally Khorasantchi – Limitations/Begrenzungen | bis 10.4. | Osthaus Museum, Hagen | 02331 207 31 38
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