Das Hagener Osthaus Museum hat eine ungewöhnliche Sammlungsgeschichte hinter sich. In dem 1902 von ihm gegründeten Museum hat Karl-Ernst Osthaus seine Sammlung der Avantgarde präsentiert. Nach seinem Tod 1921 gingen große Teile davon – aber nicht alles – an das Folkwang Museum in Essen. Später verlor das Museum durch die NS-Aktion „Entartete Kunst“ hunderte Werke der neu aufgebauten Sammlung. In der jüngeren Vergangenheit, 1998, hat der Verkauf eines Bildes von Gerhard Richter, das sich seit 1972 im Museumsbesitz befunden hatte, für Aufsehen gesorgt. Er warf die Frage auf, ob Kunstwerke, die ja auch Zeitdokumente für die Nachwelt sind, aus Museen veräußert werden dürfen und sei es lediglich, wie in Hagen vollzogen, um aus dem Erlös die Sammlungsschwerpunkte zu vervollständigen.
Einen Einblick in den Sammlungsbestand zeigt jetzt eine Präsentation im Neubau des Museums. Zu sehen sind 190 Werke von 70 überwiegend deutschen Künstler:innen, die das 20. Jahrhundert umspannen. Die von Katja Knicker kuratierte Ausstellung setzt eigene Akzente, ist darin sorgfältig und auf gegenseitige Erhellung angelegt. In einzelnen Kapiteln stehen die Werke bekannter Künstler:innen neben denen weniger prominenter. Die Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphiken und Plastiken sind nach Stilistik, Sujets, Genres und Techniken angeordnet, wobei die Chronologie den roten Faden liefert. Es beginnt in der großen Ausstellungshalle mit den Avantgarden der Nachkriegsjahrzehnte, die statt auf Figur und Gegenständlichkeit auf Abstraktion, Farbe, Nichtfarbe, Bewegung und Struktur setzen. Den hohen Raum erhalten die informelle Kunst und die meditative Malerei, außerdem die Künstler der Gruppe „junger westen“, seitlich hängen Werke der ZERO-Künstler – alles auf gutem Niveau, wenngleich die Formate moderat sind. Die Kombinatorik des Betrachters inspirieren die Zusammenstellungen der frühen Porträts, zu denen ein Siebdruck von Andy Warhol gehängt ist, der in seiner Leuchtkraft eine produktive Unruhe stiftet, oder die Mensch-Tier-Beziehungen, die von Holzschnitten von HAP Grieshaber eingeleitet sind. Der jüngeren Gegenwart wendet sich die Ausstellung nach den Kabinetten zu, etwa mit einem unter der Leitung von Michael Fehr angelegten und von Tayfun Belgin fortgeführten Schwerpunkt des Museums: der essenziellen, ganz auf die Farbe bezogenen Malerei.
Einen Eindruck davon, wie weit Malerei längst schon reicht, vermitteln die zeitgleich eröffneten Ausstellungen von Hans Kotter und Stephanie Pech. Während Pech eine fulminante expressiv engagierte und doch kontrollierte Malerei praktiziert, bei der sie in der Konfrontation organischer und anorganischer Substanz Metamorphosen und die Zusammengehörigkeit von Schöpfung und Tod in atemberaubenden Perspektiven und Größenverhältnissen zelebriert, bringen Kotters konstruktive Leuchtkästen die Farbe als solche zum Ausdruck. Mittels elektrischer Schaltungen wechseln die Töne der Lichtbänder im unendlich gespiegelten Innenraum. Es ist konsequent, dass Kotter seine Werke, von denen sich eines in der Museumssammlung befindet, als Malerei versteht: So sinnlich und suggestiv kann Farbe sein.
Innenleben. Gemälde – Skulpturen – Grafiken aus der Sammlung | Hans Kotter bis 23.4. | Stephanie Pech bis 9.4. | Osthaus Museum Hagen | 02331 207 31 38
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