Ein modernes Holzkreuz hängt über dem Altar und wirft einen Schatten, der wie offene Arme erscheint – das ist der Gedanke hinter dem Konzept der Kreuzeskirche. Sie soll ein Ort der Achtung und Wertschätzung aller Teile der Gesellschaft sein – auch und besonders derer, die keinen Bezug zur evangelischen Kirche haben.
Essen ist bereit für die neue Kreuzeskirche – das ist das Fazit der Wiedereröffnung. Ein abwechslungsreiches Programm begleitete durch den 29. November, der mit der offiziellen Schlüsselübergabe den Startpunkt für das ungewöhnliche Projekt setzte: In der Kreuzeskirche wird es neben den wöchentlichen Gottesdiensten eine Fülle von Veranstaltungen geben, die rein gar nichts mit Kirche zu tun haben. Dieses neuartige Konzept wurde realisiert vom Forum Kreuzeskirche, welches ab sofort Kulturveranstaltungen wie Konzerte und Ausstellungen im Kirchenraum organisieren wird, und von Reinhard Wiesemann und seinem UnPerfektHaus. Dieses wird neutrale und kommerzielle Events, also Hochzeiten, Geburtstage und andere Feiern veranstalten. Gemeinsam mit dem Bauunternehmer Rainer Alt, der die Kirche als neuer Eigentümer komplett an UnPerfektHaus, Forum Kreuzeskirche und evangelische Kirchengemeinde vermietet hat, konnte die Wiedereröffnung wahr werden.
Am Samstag lud Reinhard Wiesemann zu einer offenen Gesprächsrunde in das hell gestaltete Kirchenschiff ein. Dabei ging es Matthias Giese von der Desire Communication GmbH, dem Vizepräsidenten des NRW-Landtages Oliver Keymis, Skeptiker Peter Ofenbäck, den Gastronomen Maria und Harald Mintrop, Martin Schule von der German Unix User Group und Julia Trautmann vom Arboretum Trautmann um die Frage: „Wie fühlt es sich an, eine aktive Kirche parallel auch neutral zu nutzen?“ Ziel der Diskussion war es, die Hintergründe des Konzepts verständlich zu machen, gleichzeitig aber auch die Stimmen der Einwohner zu hören und zu erfahren, wie offen die Essener gegenüber der neuen Kreuzeskirche sind.
Seinen sakralen Charakter schien der Kirchenraum hier schon eingebüßt zu haben. Der recht hohe Lautstärkepegel nahm selbst dann nicht ab, als die Gesprächsrunde längst begonnen hatte; unter der Discokugel, die mit aufwendiger Lichttechnik an der Decke angebracht worden war, tummelten sich neben interessierten Zuhörern auch essende und laut redende Menschen, die das renovierte Kirchenschiff inspizierten.
Wiesemann hatte seine Diskussionspartner mit Bedacht gewählt, wie sich im Gesprächsverlauf herausstellte. So gingen seine Fragen häufig in die unternehmerische Richtung und tasteten sich an mögliche Kooperationen heran. Grünen-Politiker Keymis fragte er beispielsweise, ob er sich eine Parteiveranstaltung in der Kirche vorstellen könne. Dies sei für Keymis kein Problem, da die Grünen für Toleranz stünden und es in der Kirche darum gehe, „zueinander zu kommen und miteinander zu sein“. Auch die Hoteliers und Restaurantbesitzer Mintrop sehen keinen Widerspruch in der kommerziellen Kirchennutzung, im Gegenteil: Der Kirchenraum biete Platz für bis zu 300 Personen und sei ideal für Caterings und große Feiern, so Harald Mintrop.
Auch aus dem Publikum waren positive Stimmen zu hören. Ein Mitglied des Kirchenchors sprach sich für das Projekt aus: „Es geht in der Musik nicht um Theologie, sondern um den Menschen, der kommt, um sie zu hören“. Die Kreuzeskirche könne also sehr gut für Akustikkonzerte und Ähnliches genutzt werden. Vergleiche mit dem „Winter’s Night Live“ des britischen Musikers Sting in der nordenglischen Durham Cathedral wurden gezogen. Die Akustik des Kirchenraumes allein biete ideale Voraussetzungen für musikalische Inszenierungen. Obwohl besonders von älteren Zuhörern trotz Offenheit auch leise Zweifel gegenüber dem unkonventionellen Konzept geäußert wurden, waren sich in der Kreuzeskirche am Ende des Gespräches alle einig: für Konzerte und Feiern in der Kirche muss man sich nicht entschuldigen. Veranstaltungen sollten nicht stattfinden, obwohl, sondern weil es eine Kirche ist.
Die evangelische Kirchengemeinde Essen-Altstadt, welche die wöchentlichen Gottesdienste abhält, sieht dabei für sich wohl noch einen weiteren Vorteil. In einem Interview zitiert Pfarrer Steffen Hunder seinen Kooperationspartner Reinhard Wiesemann: „Du kriegst jetzt fast eine neue Gemeinde dazu“. Die erweiterte Nutzung eröffnet der evangelischen Kirchengemeinde tatsächlich die Möglichkeit, Kontakt zu Menschen aufzunehmen, die bislang wenig oder gar keinen Bezug zur Kirche hatten. Ob die kirchlichen und neutralen Veranstaltungen also tatsächlich völlig unabhängig voneinander stattfinden, wird sich erst in Zukunft zeigen. Bislang findet das Projekt Kreuzeskirche großen Anklang, und für den Dezember steht schon ein abwechslungsreicher Terminkalender aus Konzerten, Gottesdiensten, Vorträgen und Varieté-Darbietungen.
Erfahren Sie mehr über die Kreuzeskirche Essen.
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