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Zeitgenossen aus Düsseldorf

28. Februar 2011

Ausstellungen in Essen, Duisburg, Bochum-Weitmar und Dortmund - RuhrKunst 03/11

Es ist gut, dass die Holzschnitte und Fotoarbeiten von Pidder Auberger in seiner Ausstellung im Essener Museum Folkwang auch von ihrer handwerklich-technischen Seite beleuchtet werden. Parallel finden nämlich Schauen mit den Drucken von HAP Grieshaber wie auch des jungen Jan Brokof statt.

Pidder Auberger nun ist in seinem Werk ein Experimentator mit relativ tradierten Medien, die er hinterfragt, neuartig kombiniert und sozusagen für sich und in der zeitgenössischen Kunst entdeckt. Wie Ute Eskildsen, die Leiterin der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang berichtet, bezeichnet sich Auberger selbst als „Laborkünstler“. Seine oft großformatigen, als Serien entstehenden Arbeiten zielen gerade auf unerwartete Ergebnisse.

Das beginnt schon damit, dass er mit dem flächigen Holzschnitt nicht-festgelegte lineare Verschlingungen in enorm räumlicher Empfindung zeigt. Die künstlerischen Verfahren selbst aber standen bei Pidder Auberger schon frühzeitig fest. Der 1946 geborene Künstler „wandte sich bereits Mitte der siebziger Jahre der Fotografie zu. Anfang der achtziger Jahre entstanden erste Holzschnitte, Mitte der Achtziger die ersten Clichés-verre“, fasst Jennifer Crowley im Essener Katalog zusammen (Göttingen 2010, 86).

Im Museum Folkwang ergibt sich daraus eine lockere Retrospektive, die allerdings planvoll unvollständig ist. Vorgestellt werden vor allem die abstrakten Darstellungen, weniger die gegenständlichen. Auch die Malerei – das Metier, das Auberger einst an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat – bleibt am Rande, deutet sich aber allenthalben an. Schon die Wirkung der fotografischen Arbeiten, bei denen mehrere Ebenen über- und umeinander gelagert sind, ist mit ihren Unschärfen malerisch.

Aus der Ferne in die Nähe

Von Essen nach Duisburg, zur Ausstellung von Birgit Jensen im Kunstverein Duisburg. Bei allen Unterschieden zu Pidder Auberger: Auch Birgit Jensens Bilder beruhen auf indirekten Methoden, sie handeln mit Reproduktionsverfahren und sind doch Malerei und bleiben als solche Unikate. Dazu nutzt sie das Medium des Siebdrucks. Sie setzt die Rasterpunkte von Hand mit dem Pinsel auf die Folie, so dass noch, schaut man genauer hin, ein eigener Duktus auszumachen ist. Auf diese Weise sind große Querformate entstanden, die zwischen Abstraktheit und Konkretheit oszillieren. Suggeriert sind Landschaftspanoramen bei Nacht, die sich aus dem Kontrast weißer, aneinander anschließender Punkte inmitten dunkler Flächen konstituieren. Gegeben ist z.B. der Blick hinab auf das nächtliche Los Angeles mit seinen Lichtbändern vom fließenden Autoverkehr und den erleuchteten Gebäuden. In der Annäherung des Betrachters „kippt“ die Darstellung in die Tiefe, scheint zu schweben und lässt dann wieder an den Anflug auf Landebahnen bei Dunkelheit denken...

Derartige Bilder, mit denen Birgit Jensen bekannt wurde, sind bis etwa 2005 entstanden, anschließend hat sie den Umgang mit Hell und Dunkel umgekehrt und einzelne urbane Situationen fokussiert. Zugleich eine Art Schneegestöber, kristallisiert sich eine deutlichere Erkennbarkeit heraus, wird ihre Kunst zur analytischen Bestandsaufnahme im Stadtraum. Aus der Ferne in die Nähe Daran schließen die aktuellen Bilder in Duisburg an.

Birgit Jensen wendet sich heute einzelnen atmosphärisch aufgeladenen, oft monumentalen Orten zu und zoomt diese heran, etwa Uluru (der kultische Berg der australischen Ureinwohner, der bis vor wenigen Jahren Ayres Rock hieß) und die Buddha-Statuen, die durch die Taliban zerstört wurden. Sie befragt deren „eigentliche“, rituelle Bedeutung und die zeitgenössische mediale Rezeption, indem ihre Bilder aus monochromen Rasterpunkte bestehen. Die Frage nach dem Entstehen von Information und deren Übermittlung ist eines der Themen im Umschlag von Ferne zu überwältigender Nähe, als aktiver Vorgang des Betrachters. Birgit Jensen selbst vergleicht dies in einem Statement mit einem Schleier, der sich öffnet und wieder schließt. Sie verweist dafür noch auf die Definition von Passagen/Schwellen bei Walter Benjamin.

Birgit Jensen hat mit Pidder Auberger nicht nur die indirekten Verfahren und den experimentellen Ansatz gemeinsam, sondern auch eine Äußerlichkeit: Beide leben in Düsseldorf – das ist jedenfalls bedenkenswert. Etliche der herausragenden Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, die derzeit im Ruhrgebiet (aber auch sonst wo in Deutschland) stattfinden, widmen sich Künstlern, die in der Landeshauptstadt ansässig oder tätig sind.

Der hauptsächliche Grund für die dortige Dichte wichtiger Künstler ist die Kunstakademie, die international führend ist zur Zeit mit Professoren wie Richard Deacon, Katharina Fritsch, Andreas Gursky, Rosemarie Trockel. Diese ziehen begabte Studenten an, welche ihrerseits frühzeitig im Kunstbetrieb wahrgenommen werden. Und ein weiteres Düsseldorfer Phänomen ist, dass trotz der üblichen Fluktuation und dem Gerede vom Standort Berlin etliche der Künstler über das Studium hinaus da bleiben und im übrigen oft eine Solidarität füreinander praktizieren, sich gegenseitig unterstützen.

Aber natürlich leben auch im Ruhrgebiet etliche bedeutende Künstler, darunter Horst Becking, der im Osthaus Museum in Hagen ausstellt, und Friedrich Gräsel, dessen Werke im April im Schlieker-Haus in Bochum vorgesehen sind, und Klaus Geldmacher, von dem sich eine Lichtinstallation im Eingangsbereich des Kunstmuseum Mülheim befindet.

Unter den Künstlern aus Düsseldorf aber, die derzeit im Ruhrgebiet ausstellen, ist allen voran Thomas Struth zu nennen. Eine konzise Auswahl seiner Fotografien ist im neuen Kubus der Situation Kunst (für Max Imdahl) in Bochum-Weitmar zu sehen. Die Zusammenstellung aus den verschiedenen Werkgruppen hat es in sich; sie teilt wesentliches über seine Konzeption mit, bei der die Beschäftigung mit den Theorien der Wahrnehmung und eine spezielle Haltung die Motive und den Umgang mit diesen initiieren.

So kommt es, dass in der Bochumer Ausstellung die Aufnahme eines nahe gerückten dichten Waldes aus der Werkgruppe „Paradiese“ mit den Fotografien in einem Museum korrespondiert, welche sich ganz auf Menschen im Bildvordergrund konzentrieren. Zu sehen sind Besucher der Eremitage von vorne beim Betrachten der Kunstwerke und gewissermaßen in einer Ausnahmesituation aus Kultur und Alltag, eingefangen noch in sozialen Beziehungen... Weiteres erfährt man dann übrigens in Düsseldorf selbst. Dort findet eine Werkschau in K20 am Grabbeplatz statt – ein Heimspiel für Thomas Struth, der an der Kunstakademie bei Bernd Becher studiert hat.

Von Dortmund nach Duisburg

Der Kunstverein in Dortmund wiederum stellt eine in Düsseldorf ansässige Künstlerin aus, welche die jüngste Generation repräsentiert. Aber Katy Feuersenger hat dort nicht studiert. Geboren 1976 in Stendal, hat sie die Kunstakademien in Braunschweig und Nantes besucht. Ihre Sache ist die Zeichnung, deren Repertoire sie erkundet und die sie mitunter um Text und Schrift erweitert, formal verdichtet und mitunter der Lesbarkeit entzieht. Vor allem die großformatigen Wandzeichnungen haben eines mit den Bildern von Birgit Jensen gemeinsam, „die Unmöglichkeit des Erkennens im Stillstand“ (Ina Weißflog, Kat. Solingen 2009, s.p.).

Nicht nur im Kunstverein mit Birgit Jensen, auch sonst dominieren in den Duisburger Ausstellungshäusern Künstler aus Düsseldorf. Die cubus kunsthalle zeigt bis Monatsmitte den Maler Ioan Iacob. Wenige Schritte weiter präsentiert das LehmbruckMuseum die Videoinstallation „Home is where the heart is / 1989-2010“ von Stefan Hoderlein sowie plastische Entwürfe von Markus Lüpertz, der lange als Professor an der Düsseldorfer Akademie gelehrt hat und dort auch Rektor war.

Sein Nachfolger in diesem Amt ist mit Anthony Cragg ein international etablierter Bildhauer, und dessen Werk wird im Museum Küppersmühle gezeigt. Grundlagen von Craggs Arbeit sind der Mensch und die biomorphe Natur mit ihren Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten. Cragg setzt auf die Fragen und Eigenschaften „klassischer“ Skulptur, um damit zu eigenen plastischen Formulierungen zu gelangen.

Seine Ausstellung gehört übrigens zur Reihe „Akademos“ dieses Duisburger Museums, das in größeren Abständen Professoren der Düsseldorfer Akademie präsentiert, aber mit Kuno Gonschior ebenso einen Bochumer Maler ausgestellt hat. Also die Künstler, die im Ruhrgebiet leben, werden nicht vergessen.

Pidder Auberger – Fotografien und Holzschnitte, bis 3. April im Museum Folkwang, www.museum-folkwang.de

Birgit Jensen – rites de passage, bis 5. März im Kunstverein Duisburg, www.kunstverein-duisburg.de

Thomas Struth, bis 10. April im Kubus von Situation Kunst in Bochum, www.kusa-rub-moderne.de

Katy Feuersenger – Unsichtbare Angelegenheiten, bis 27. März im Dortmunder Kunstverein, www.dortmunder-kunstverein.de

Anthony Cragg – Dinge im Kopf, bis 13. Juni im Museum Küppersmühle in Duisburg, www.museum-kueppersmuehle.de

Thomas Hirsch

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