Kohle und Stahl: Zwei Elemente, die das Geschick des Ruhrgebiets lange Zeit lenkten – und auch heute nicht gänzlich der Vergangenheit angehören. Wer sich auf den Weg ins Skulpturenmuseum Glaskasten Marl macht, der passiert nicht nur Halden und Bergbausiedlungen, sondern auch Prosper-Haniel, die letzte noch betriebene Zeche der Region. 2018 ist hier Schluss – was hat das mit Kunst zu tun? Nun, einiges. Die Verschmelzung von Industrie und Kunst gehört im Ruhrgebiet mittlerweile zur guten Schule, in den 80er Jahren hingegen verwies der Begriff des Schmelzens eindeutig auf einen Vorgang, wie er etwa in der Hattinger Henrichshütte Alltag war. Der US-amerikanische Bildhauer Richard Serra ließ hier 1977 seine erste Arbeit im deutschsprachigen Raum formen und begegnete zugleich seiner späteren Frau Clara im Zuge eines Streiks. Der gemeinsame Film „Steelmill / Stahlwerk“ dokumentiert nicht nur den Kampf der Arbeiter, sondern begleitet auch den Entstehungsprozess von Serras „Berlin Block for Charlie“, der hier gegossen wurde.
Für die Marler Ausstellung ist diese visuelle Reise in die Vergangenheit jedoch mehr als eine historische Fußnote. Der 27-minütige Film macht die Genese von Serras Arbeiten deutlich, während die Aufnahmen des Fotografen Dirk Reinartz ihnen jegliche Schwere entziehen. Denn darum geht es in dieser Ausstellung: um die fotografierte Skulptur, deren Begreifen über ihre Dokumentation hinaus geht. Im Rahmen der Exponate ragt die Symbiose von Reinartz und Serra klar heraus, bedingen sich diese beiden doch gegenseitig, auch wenn Serra stets einen Schritt voraus war – sein musste. Dem Steinert-Schüler Reinartz gelang es indessen, den schweren Stahlarbeiten eine Anmut zu verleihen, die grazil und eigen war. Durch seine Schwarz-Weiß-Fotografien erreichte das Spiel mit dem unbeugsamen Stahl, mit dem Serra aller Logik der Natur trotzte, eine zusätzliche Dimension. Ohne sie ihrer Geheimnisse und Eigenheiten zu berauben, ließ Reinartz die stählernen Skulpturen abermals verschmelzen, nun jedoch mit ihrer Umgebung; ob auf Island oder in Siegen, Krefeld oder Bilbao.
„Skulptur im Foto – Über die fotografische Dokumentation hinaus“ | bis 14.5. | Skulpturenmuseum Glaskasten Marl | 02365 99 22 57
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