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Die U-Bahn in Duisburg verpasst, die Kunst bleibt: Abstraktes auf 160 Metern von Isa Genzken und Gerhard Richter
Foto: Presseamt Duisburg

„Die Krux mit den in Bronze gegossenen Gartenzwergen“

31. Mai 2013

Keine Kommune kann die Renovierung von Kunstwerken im öffentlichen Raum alleine stemmen – Sammlung 06/13

Viele Kunstwerke im öffentlichen Raum sind beschädigt, beschmiert oder einfach nur zugewachsen. Das soll sich nun ändern. In diesem Monat fand bereits die Neuenthüllung der von Isa Genzken und Gerhard Richter gestalteten Wandmalerei in der Duisburger U-Bahn-Station am König-Heinrich-Platz statt. Vier weitere sollen schon bis Oktober folgen: der „Nashorn-Tempel“ von Johannes Brus in Essen (20.6.), Wolf Vostells „La Tortuga“ auf dem Platz des Theater Marl (14.7.), die „Schwelle“ von Raimund Kummer im Emscherpark (19.9.) und Richard Serras Stahl-Plastik „Terminal“ am Bochumer Hauptbahnhof. Schon bei deren Errichtung vor 34 Jahren ging es in der Stadt hoch her. Schon deshalb sollen die neuenthüllten Kunstwerke nicht nur für künftige Generationen gesichert, sondern auch deren gegenwärtige Rezeption neu diskutiert werden. trailer sprach mit Bochums Museumschef Hans-Günter Golinski, der auch Sprecher der RuhrKunstMuseen ist.

trailer: Herr Golinski, warum hat Kunst im öffentlichen Raum einen so schlechten Stellenwert?
Hans Günter Golinski: Ich würde nicht sagen, dass sie einen schlechten Stellenwert hat. Sie ist ein bisschen aus dem Blick geraten. Das hat verschiedene Gründe. Wir haben nach dem Krieg erst mal die verkehrsgerechte Stadt favorisiert. Riesige Stadtflächen wurden so angelegt, dass man ganz schnell von A nach B kam. Also autogerecht und ganz funktionalistisch. Dann hat man schnell gemerkt, wie inhuman dieses Denken ist. Der Mensch muss oder will auch irgendwo Markierungspunkte haben zum Verweilen. Das war wohl die erste Motivation, Kunst in den öffentlichen Raum zu setzen. Nach dem Krieg hatte es bereits ein Applizieren gegeben, dass man so schöne, nette Sachen aufstellte oder an neuen Gebäuden anbrachte, aber das war alles haarscharf am Dekor. In Bochum war es eine ganz entscheidende Sache, das „Terminal“ in dieses Verkehrstoben zu setzen. Das hat natürlich die entsprechenden Provokationen ausgelöst, hat aber auch Schule gemacht, und man begriff den Stadtraum anders. Dann kam diese Fußgängerzonenentwicklung, und dann war da auch „ein bisschen Geld da“. Und dann fing man an, wie Alfred Hrdlicka das auch mal gesagt hat, solche bronzenen Geisterbahnen entstehen zu lassen. Also es ist viel Wichtiges entstanden. Es ist auch vieles entstanden, was wirklich in Bronze gegossene Gartenzwerge ist. Das hat eigentlich so vor sich hingewuchert, man war dann irgendwann gesättigt und hatte sich daran gewöhnt.

Richard Serras „Terminal“ am Bochumer Hauptbahnhof ist schwer zu restaurieren?

Hans Günter Golinski
Foto: Privat
Hans Günter Golinski, Studium der Pädagogik in Wuppertal, Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik in Bochum. In den 1980ern Kunst am Bau Beauftragter des Landes NRW, dann wiss. Mitarbeiter am Rheinischen Landesmuseum in Bonn und wissenschaftlicher Kustos am Museum Bochum. Seit 1997 ist er dort Direktor.

Jein. Die Oberfläche ist ja ein Schutzrost. Und Serra selber hat immer gesagt, dass er in den öffentlichen Raum geht und auch weiß, dass er damit provoziert, und dass damit umgegangen wird, wie es im Museum nicht unbedingt getan würde. Wir sind gerade dabei, das auch noch mal zu verschriftlichen. Er hat sich eigentlich gegen solche Reinigungsgeschichten ausgesprochen. Wenn das „Terminal“ natürlich als öffentliche Toilette benutzt wird, wenn da Plakate drauf sind, dann wird das auch wieder weggemacht. Aber wir gehen nicht hin und sprühen es ab. Wir wollen da aber noch mal ein klares Statement von ihm haben.

Andere Kunstwerke führen im Ruhrgebiet eher ein Schattendasein.
Viele wissen gar nicht, was es gibt, und viele Städte fangen jetzt erst an, eine gezielte Recherche zu machen. Was ist über die Zeit lokal, national und international bedeutsam? Es gibt Sachen von Lokalkünstlern, die sind einfach als Identifikationsort wichtig. Das ist vielleicht nicht der zweite Picasso, aber sie sind von Bedeutung. Dann gibt es aber auch Sachen, die haben nicht ganz gehalten, was man sich von dem Künstler versprach, oder es gibt Sachen, die mal für einen Ort gemacht wurden, und der Ort hat sich geändert. Und natürlich die Objekte, die materialmäßig verbracht haben. Diese Hierarchisierung beinhaltet auch die Frage, was macht man wann mit welcher Sache, und dieses Problem hat nicht nur Bochum, das haben alle Städte, die nach dem Krieg erst mal gewuchert sind, im besten Sinne. Überall ist im Moment die Gefahr in Verzug, dass Sachen vergessen sind, verrotten, wichtige Sachen verschwinden können, weil das Netzwerk nicht da ist. Das ist ja nicht allein der Grund, warum die RuhrKunstMuseen jetzt eine Gegeninitiative starten, dass sie sagen, wir wollen das Bewusstsein wieder wecken, wir wollen sagen, ihr lauft da immer achtlos dran vorbei, und wenn ihr weiter hinten guckt, da steht dies, und da steht jenes. Wir haben ja hier Kunstgeschichte geschrieben, in New York hat man den Serra wieder abgetragen.

Hat denn die relativ junge Kooperation der RuhrKunstMuseen da geholfen?
Ja. Allein die Publikation, die wir letztes Jahr herausgegeben haben, hätte keine Stadt oder kein Museum für sich allein machen können. Als Formation der RuhrKunstMuseen versuchen wir, verschiedene Initiativen mit anzukurbeln. Das heißt natürlich, Privatengagement mit reinzuholen. Aber auch, dass man mit dem Land NRW darüber spricht. Denn die Kommunen allein schaffen das nicht.

Wird es denn jemals eine Renaissance der öffentlichen Kunst geben?
Kunst im öffentlichen Raum hat sich ja in ihren Erscheinungsweisen geändert. Der Kunstbegriff unterliegt auch einem Prozess. Vor allen Dingen die Frage, was nötig wäre in diesem Stadtraum, wandelt sich permanent. Eine Serra-Setzung war damals wahnsinnig wichtig. Die relativiert sich heute. Heute braucht es ganz andere Kommunikationsformen im öffentlichen Raum. Viele Künstler sagen, dass sie da nicht noch weiter den Raum möblieren wollen, und sind auf temporäre Geschichten fixiert. Dass man den Stadtraum nutzt, einen Tag, eine Woche, einen Monat, ein halbes Jahr, dass man einen besonderen Ort in der Stadt als Kommunikationsort nimmt, denn das ist ja letztlich Kunst.

Manchmal werden Kunstwerke auch versetzt. Wie der „Stein“ von Ulrich Rückriem. Ist es ein Vorteil, dass er jetzt im musealen Kontext steht und nicht mehr in der Bochumer Innenstadt?
Das war ja auch eine nicht leichte Geschichte. Wir haben uns natürlich, was das Versetzen anbelangt, mit Rückriem in Verbindung gesetzt. Zunächst war er aufgebracht: „Das haue ich in die Tonne“. Dann wollte er was Neues bauen, doch dann fand er, das es ja doch eine schöne Arbeit ist, und fand den Ort vor dem Museum gut. Und das war ganz wichtig, denn man kann so was für einen Ort Gemachtes nicht einfach irgendwo anders hinsetzen. Translozierungen machen nur Sinn, wenn sie einen neuen Akzent bieten und das Kunstwerk weiter wirken lassen.

Aber beim Rückriem hat sich die kontroverse Wirkung verändert?
Jein. Er hatte es auf Sichtachse für das Gebäude gemacht. Sicher, es war dort frequentierter, aber er hat wieder eine Sichtachse genommen, und was ich jetzt hier genial finde, dass er es vor das Fenster gestellt hat. So verbarrikadiert und öffnet er zugleich. Das hat einen ganz neuen Spannungsbogen geschaffen.

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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