Anohni, PARADISE series, Mixed Media, Farbe auf Papier
Foto: Gunter Lepkowski
„Hommage an die einstige Subkultur, aus der sie kommt“
28. Juli 2016
Mit drei Weggefährten: Die Musikerin Anohni kuratiert ihre Ausstellung in Bielefeld – Sammlung 08/16
Sie ist einer der wenigen wahren Schmetterlinge im Musikbusiness. Anohni, seit dem letzten Jahr unter diesem nur noch entfernt an Anthony (and the Johnsons) erinnernden Namen unterwegs, hat gerade ihr neuestes Album „Hopelessness“ veröffentlicht. Und die Künstlerin hat seit ihrem Start als Backgroundsängerin bei Lou Reed interessante Freunde. Für einen der Majorsongs „Drone Bomb Me“ stand fürs Video gleich das britische Supermodel Naomi Campbell vor der Kamera. Die Bielefelder Kunsthalle hat jetzt das bildnerische Werk der Musikerin entdeckt und zeigt Anohnis Arbeiten aus den letzten zehn Jahren. Es sind Materialbilder, Collagen, Statements, Farbspiele, die wohl auch parallel zu Songs von Anthony and the Johnsons entstanden sind. Gleichzeitig kuratiert sie selbst in Bielefeld Werke dreier Weggefährten aus New York, zusätzlich begleitet Marina Abramović, die international bekannte Grand Dame der Avantgarde-Kunstperformance die Ausstellung vor Ort. Auch so wird durch das Gesamtkunstwerk das eigentlich Lyrische bei Anohni ins Politische transponiert, ein Anspruch, den auch „Hopelessness“ erfüllen will. Wir sprachen mit Meta Marina Beeck,kuratorische Assistentin der Ausstellung „Anohni. My Truth“.
trailer: Frau Beeck, eine Musikerin kuratiert in Bielefeld ihre eigene Ausstellung. Warum ist das so? Meta Marina Beeck: Die Frage ist berechtigt. Anohni ist weltweit als Musikerin bekannt, aber parallel dazu ist in den letzten zehn Jahren auch ein bildnerisches Werk entstanden. Bei ihrer europaweit ersten Ausstellung in Bielefeld war es mehr als konsequent, die Künstlerin, die aus einem sehr eigenen Kosmos stammt, ihre eigene Ausstellung kuratieren zu lassen, dafür auch andere Künstler einzuladen und sie gemeinsam mit Dr. Friedrich Meschede, dem Direktor der Kunsthalle, anhand ihrer Intuition – für Anohni ein sehr wichtiger Begriff – dann auch einzurichten. Daran sieht man, dass sie auch bereits sehr konkrete Vorstellungen für das Arrangement ihrer Arbeiten, aber auch der Werke ihrer beteiligten Freunde hat. Der besondere Fall Anohni hat erlaubt, dass man ihr als künstlerischen Akt die gesamte Regie und damit mehr Freiheiten eingeräumt hat als vielleicht anderen Künstlern.
Es wurde ein Double Feature auf zwei Etagen. Was ist am bildnerischen Werk Anohnis wichtig?
Meta Marina Beeck
Foto: Presse
Zur
Person
Meta
Marina Beeck studierte Neue Deutsche Literatur sowie Kunst- und
Bildgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, außerdem
studierte sie 2011 bis 2012 an der Universität Peking Chinesisch.
Seit Januar 2015 ist Beeck an der Kunsthalle Bielefeld als
wissenschaftliche Volontärin beschäftigt und ist kuratorische
Assistentin der Ausstellung „Anohni. My Truth“.
Die Künstlerin, die sich auch politisch einsetzt – was man auch an ihrer soeben erschienenen CD „Hopelessness“ sehen und hören kann. Ihre Umweltthemen Klimawandel oder Aussterben der Arten sind als allgemeingültige Themen, die auf die globalisierte Welt wirken, auch in ihrer bildenden Kunst vorhanden, die Collagen tragen dabei teilweise ähnliche Titel wie ihre Songs, sind in den vergangenen Jahren neben ihrem Engagement und ihrer Musik entstanden. In der Ausstellung geht es unter anderem auch um Aids in den 1980er und 1990ern, zu sehen vor allem in den Fotografien des 1987 an Aids verstorbenen Fotografen Peter Hujar. Die Bilder stammen aus einer Zeit, in der das Sterben an Aids in der New Yorker Subkultur rasant erfolgte. Aber damals war das noch ein Tabuthema, das neben der politischen Aussage auch viele persönliche Bezüge für die Musikerin und die Künstlerin Anohni hat.
Ist da eine Sehnsucht nach den künstlerischen 80ern zu spüren? Sehnsucht würde ich das überhaupt nicht nennen. Sie ist mit ihrem künstlerischen Output sehr an unserer Gegenwart interessiert und gleichzeitig um unsere Zukunft besorgt. Anohni zieht 1990 nach New York und stellt fest, dass viele ihrer Freunde an Aids verstorben sind, da gehörte auch Peter Hujar zu, dessen Fotografien auch in der Ausstellung „My Truth“ zu sehen sind. Sie sieht also eher ihre Wurzeln in diesen 80er Jahren. Kein Retro.
Aber Weggefährten von damals, Lou Reed oder Marina Abramović begleiten sie immer noch? Das ist aber eher Folge und immer noch eine Hommage an die einstige Subkultur, aus der sie kommt. Damals war das eine Avantgarde, auf die sie bis heute verweist, aber nie als ein Rückblick. Sie war damals Backgroundsängerin bei Lou Reed, stand und steht selbst immer auch in einer von ihr selbst weiterentwickelten Subkultur. Auch der Maler und Bildhauer James Elaine hat sie damals für die bildende Kunst sensibel gemacht. Ahnoni ist in New York oft in seinem 1989 mit William Basinski gegründeten Performance- und Galerieraum „Arcadia“ als Performer aufgetreten und sie verweist in Bielefeld gern auf die Charaktere, die ihr damals den Weg geebnet haben. Basinski war sogar auch zeitweise Mitglied ihrer Avantgarde-Band Antony and the Johnsons.
Umwelt, Aids, Transgender – bleibt das nicht ein zeitgenössisches Anrennen eher gegen Politik? Das ist eher selbst Politik machen, für Themen präsent sein, wo sie sich durch ihre Popularität zum Sprachrohr macht. Das ist ein mutiger Auftritt einer Künstlerin, die aber dennoch um ihre Rolle weiß, junge Menschen für diese Themen mobilisieren zu können. Auch an sie zu appellieren, sich für Umwelt und Politik stark zu machen. Aids, eines der großen Themen der 80er und 90er Jahre, bleibt bis heute ein Thema, aber nicht nur einer gewissen Subkultur, auch wenn Anohni dies in ihren New Yorker Jahren damals hautnah erfahren hat. Damals wurde in den USA noch nicht informiert, wurde noch nicht über die Krankheit als Krankheit gesprochen und es wurde eben auch wenig geholfen. Auch deshalb sind viele so früh gestorben.
„Anohni. My Truth“ | bis 16.10. | Kunsthalle Bielefeld | 0521 32 99 95 00
INTERVIEW: PETER ORTMANN
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