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Horst Röper
Foto: Formatt

„Gefährlich für die Demokratie“

09. April 2019

Im Gespräch mit Horst Röper über Tageszeitungsmonopole an der Ruhr – Nachgefragt 04/19

Die Zeitung stirbt aus, was kann man tun? Wir sprechen mit Journalist und Medienwissenschaftler Horst Röper über die Rettung eines Mediums.

Während sich die Kölner Mediengruppe DuMont laut der Branchenzeitschrift Horizont offenbar als erster deutscher Traditionsverlag von seinem Kerngeschäft, dem Zeitungmachen, trennen und sämtliche Titel abstoßen will, tut sich im Ruhrgebiet gleichsam verlegerisches Unheil auf. Kaum hat die Funke Mediengruppe (u.a. WAZ, NRZ) ihr neues Domizil, einen modernen wie architektonisch schlichten Bürokomplex in Essen bezogen, stehen erneut Entlassungen an: die Funke-Betriebsräte in NRW gehen von knapp 300 Stellen aus, die wegfallen sollen. Hinzu kämen weitere Einschnitte in der Zentralredaktion in Berlin sowie an anderen Standorten. Die Essener Druckerei will der Konzern ebenfalls schließen. Journalist und Medienwissenschaftler Horst Röper hat für solche Hiobsbotschaften nur Kopfschütteln und Entsetzen übrig.

trailer: Herr Röper, DuMont will sich offenbar von seinem Kerngeschäft, Funke von mehreren Hundert Mitarbeitern trennen. Wie bewerten Sie diese Entwicklungen in der nordrhein-westfälischen Medienszene?
Horst Röper: Als negativ. Es ist bedauerlich für ein traditionsreiches Unternehmen wie DuMont, das wichtige Zeitungen in Deutschland verlegt und darüber hinaus im Medienbereich eine wichtige Relevanz darstellt, sein Kerngeschäft aufzugeben. Eine Wende zum Besseren ist das mit Sicherheit nicht. Bislang hat niemand seinen Hut als Kaufinteressent in den Ring geworfen. Funke hatte zwar früher ein Auge auf eigene Kölner Titel geworfen, doch zugleich zunehmend an journalistischen Leistungen gespart: angefangen bei der Westfälischen Rundschau, die völlig entkernt wurde, bis hin zu vielen Lokalausgaben bei WAZ und NRZ. Die Redaktionsaufwendungen wurden immer weiter gekürzt – eine negative, verheerende Entwicklung. Interesse an den Kölner Titeln wird aber auch der Rheinischen Post aus Düsseldorf nachgesagt.

Horst Röper
Foto: Formatt
Zur Person:
Horst Röper
studierte Politikwissenschaft und Publizistik an der Universität Münster und Journalistik an der Universität Dortmund, ist Co-Autor diverser Fachbücher und schreibt regelmäßig für Tagesmedien und Magazine. Seit 1984 ist er Geschäftsführer des Medienforschungsinstituts Formatt, das er zusammen mit seinem ehemaligen Professor Ulrich Pätzold gründete.

Die Auflagen bei Funke sind schon länger im freien Fall, die Verluste enorm. In wie weit hat das mit dem immensen Qualitätsverlust, dem Wegsparen von gut ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten zu tun?
Das eine begründet das andere. Gleichwohl gibt es bei Funke mehrere, auch strukturelle Gründe, die die gesamte Branche betreffen. Die WAZ etwa wird hauptsächlich in Großstädten vertrieben und dort ist der Rückgang an Abonnements noch größer als auf dem Land. Das hat damit zu tun, dass in den städtischen Konglomeraten die Bindung ans Lokale nicht so groß ist. Dazu kommen der hohe Ausländeranteil und vor allem hausgemachte Probleme, die mit ständigen Veränderungen zusammenhängen – sowohl was die redaktionelle Linie angeht als auch den Stellenwert, den das Lokale einnimmt. Die ständigen Veränderungen kommen bei den Käufern bzw. früheren Käufern nicht gut an. Außerdem fehlt dem Verlag eine vernünftige Zukunfts- und Digitalstrategie.

Die Zeitung zu wechseln ist gleichwohl nicht einfach im Revier. In WAZ und NRZ steht fast das gleiche und wenn wir den Wettbewerber, die Ruhr Nachrichten aus dem Medienhaus Lensing nehmen, gibt es ebenso Überschneidungen. Deren Inhaber Lambert Lensing-Wolff sitzt bei Funke im Aufsichtsrat. Gut ist das nicht, oder?
Diese Entwicklung ist gefährlich für unsere Demokratie, denn unser Mediensystem baut auf Vielfalt auf – der Vielfalt der Meinungen in der Berichterstattung. Sie soll die Bürger in die Lage versetzen, sich ein eigenes Bild zu machen. Doch diese Funktion ist in weiten Teilen des Marktes heute nicht mehr gegeben, da wir hauptsächlich lokale Tageszeitungen haben, die nicht mehr in Konkurrenz zueinanderstehen, sondern im Monopol. Der Wettbewerb zwingt die Verlage nicht mehr, ins Lokale zu investieren. Hier hat die lokale journalistische Leistung insgesamt deutlich nachgelassen und das ist systembedrohend.

Jetzt gibt es in NRW mit der Stiftung vor Ort, die gerade in die Landesanstalt für Medien zurückgeführt wird, bereits Initiativen. Man hat versucht, neue Ideen und Projekte anzustoßen. Ist das ausreichend, oder brauchen wir in NRW deutlich mehr Initiative seitens der Politik?
Das ist sicherlich nicht ausreichend. Gleichwohl muss man sehen, dass die Initiative nicht nur in NRW vonnöten ist, sondern bundesweit. Hier in NRW gibt es immerhin eine solche Stiftung. Hier hat die Politik einzig in Deutschland anerkannt, dass dieser Bereich förderungswürdig ist, auch mit öffentlichen Geldern. Aber das was bisher aufgesetzt worden ist reicht natürlich bei Weitem nicht aus.

Würden Sie denn sagen, die klassische Tageszeitung stirbt allmählich aus?
Nein, soweit würde ich nicht gehen. Eine Tageszeitung ist heute zunächst einmal ein gedrucktes Produkt, aber die Verlage sind längst in der digitalen Welt unterwegs. Immer mehr Leute beziehen ihre Zeitung nicht mehr als Papierprodukt, sondern als ePaper oder sie gehen einfach ins Netz und schauen sich an, was die Verlage dort an Nachrichten zu bieten haben. Die Funktion, die die klassische Tageszeitung einnimmt, ist natürlich immer noch sehr wichtig für das gesamte kommunikative Leben. Dennoch wird es ohne neue Geschäftsmodelle und Strategien im Tageszeitungssegment nicht funktionieren. Was die Verlage brauchen, ist ein Plan B.

Interview: Pascal Hesse

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