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Ruth Baumgarte: „Lager der Kesselbauwerkstoffe“ (1958)
Foto: © Kunststiftung Ruth Baumgarte

Glühendes Eisen, rinnender Schweiß

26. April 2018

Ruth Baumgarte im Dortmunder Hoesch-Museum – Kunstwandel 05/18

Nicht weit vom „heiligen“ Borsigplatz, wo vor 100 Jahren noch die Hoesch-Tochter Maschinenfabrik Deutschlands (MFD) stand, befindet sich heute das Hoesch-Museum mit einer spannenden Sammlung aus 160 Jahren Dortmunder Stahlgeschichte. Künstler interpretieren die mit einer Reflektion auf historische Industrie-Landschaften oder verfallende Architektur. Momentan zeigt die Wechselausstellung die Künstlerin Ruth Baumgarte (1923-2013), deren Lebensweg eng mit der Industriegeschichte in Nordrhein-Westfalen verbunden war. Nach Kunststudium und Heirat in den 1940ern in Berlin zog sie nach dem Krieg nach Bielefeld, wo sie 1952 den Eigentümer des Eisenwerks Baumgarte heiratete. Von da an ging´s bergauf. Auch künstlerisch, denn die dumpfen Geräusche in den Hallen, das dunkle Umfeld, die schuftenden Männer, das alles erlebte sie hautnah. Ruth Baumgarte saß daneben, malte direkt vor Ort und wurde mit ihren Bildern so auch zu einer Dokumentatorin des deutschen Wirtschaftswunders und über die eigentlichen Protagonisten des Aufbruchs.

Den Untertitel ihrer Ausstellung „Farbrausch am Kessel“ kann man wörtlich nehmen. Vieles erscheint ein wenig farbig in der Rückschau, aber die Qualität der rund 60 kleinformatigen Arbeiten bleibt unbestritten und, zugegeben, glühende Hochöfen sind ja auch in Schwarzweiß nicht gerade monochrom (Das flüssige Eisen läuft in Tusche, 1956). Die akademische Ausbildung zeigt sich insbesondere, wenn die Malerin die Arbeitsabläufe festhält, wenn die Malocher nachts ihre Handgriffe fürs große Ganze perfektionierten. Ruth Baumgarte perfektionierte die Details in Aquarell und Zeichnung, vergaß auch nicht die Erschöpfung nach der Schicht (Der Morgen, 1958) oder die stillen Minuten der Pause (Arbeiter, 1958). Das ganze Werk zeugt von einer sozialpolitischen Sichtweise auf die damalige harte Arbeitswelt, die sie zwar manchmal ein wenig „sozialistisch“ überhöhte, für deren Licht und Schattenseiten im sogenannten Wirtschaftswunder sie aber ein waches Auge hatte.

Natürlich hat die Künstlerin nicht nur im Bielefelder Stahlwerk ihres Mannes gesessen, davon zeugen in der durch drei Räume strukturierten Ausstellung auch Aquarelle aus Bad Pyrmont (Kurhotel, 1965) oder Hafenszenen (Schiffsverladung, 1964), aber ihre Bilder illustrierten auch Prospekte für die Anwendung von Kesselanlagen und Firmenkalender – schließlich war das tagesaktuelle Zeichnen lange ihr Broterwerb – und die Familie. Zu sehen ist nicht nur ein frühes Selbstportrait in Öl (1947), auch den Chef (Der Fabrikant Hans Baumgarte, 1953) verewigte sie in Öl auf Hartfaser. In ihrer Heimatstadt Bielefeld gründete sie Mitte der 1970er Jahre auch die Galerie „Das Fenster“. Ihr Sohn Alexander führt die heute und auch ihre Kunststiftung Ruth Baumgarte, die ihr Lebenswerk verwaltet und jährlich einen 20.000 Euro-Preis für Nachwuchskünstler, die gegenständlich arbeiten – auslobt. Schade, dass in Dortmund nicht auch ein zwei großformatige Ölgemälde aus ihrem Afrika-Zyklus zu sehen waren. Das hätte den Farbrausch am Kessel noch leuchtender gemacht.

Ruth Baumgarte. Farbrausch am Kessel | bis 6.5. | Hoesch Museum, Dortmund | www.hoeschmuseum.dortmund.de

PETER ORTMANN

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