Über 100 Grafiken und 20 Gemälde des Gelsenkirchener Künstlers und Werbegrafikers Anton Stankowski (1906–1998) schlummern im Depot. 43 Werke aus diesem Fundus sind nun in der alten Villa zu sehen – angereichert mit zwei weiteren künstlerischen Positionen rund um ungegenständliche Kompositionen aus geometrischen Formen und Farbfeldern.
Eine ist die Schweizerin Verena Loewensberg (1912–1986). 2022 erwarb das Museum eines ihrer Werke aus den 1970er Jahren und nimmt die Ausstellung nun zum Anlass, diese und damit auch die in Vergessenheit geratene Künstlerin vorzustellen, die in den 1930er Jahren die Gruppe der Zürcher Konkreten mitgründete. Sie folgte keinen Gestaltungstheorien, sondern war, wie sie entwaffnend gestand, „darauf angewiesen, dass mir etwas einfällt“. Viel fiel ihr ein – eine variantenreiche Bandbreite an akribisch gefertigten Bildern von enormer Strahlkraft. Die sechs gezeigten Werke vermitteln nur einen ersten Eindruck.
Auch Stankowski arbeitet mit Präzision, doch nach System und eigener Gestaltungsfibel. In seriellen Reihen dekliniert er seine Ideen durch, dreht z. B. Dreiecksformen gegeneinander, lässt rote und schwarze Balken in wechselnden Konstellationen über Bildflächen wandern, gestaltet flirrende Op Art neben reduzierten Einzelformen wie seinem berühmten Logo für die Deutsche Bank, das er für den Kunstbetrieb als reliefartiges Vexierbild gestaltete. Der Schaffensprozess war für ihn ein rationaler Vorgang, bei Kunst und Gebrauchsgrafik gleichermaßen.
Ganz anders der Pakistaner Imran Mir (1950–2014), ebenfalls Werbegrafiker und zum ersten Mal in einem deutschen Museum ausgestellt. Mirs Werke sind freier, verspielter, mit erfrischendem Witz und durchaus nicht so streng vom Gegenstand befreit wie die Werke der Älteren. Durch seine Ausbildung war er mit westlicher Kunst vertraut, doch Ornamentales aus islamischer Kultur schimmert durch. Formenstrenge würzt er mit einer Prise Humor: Sechs Quadratformate zeigen je ein gezeichnetes Gittermuster auf farbigem Grund. Die Rasterlinien sind grafisch durchbrochen, zerschnitten und aufgebogen wie ein zerstörter Hasendraht. Farbkleckse auf jedem Bild entpuppen sich als fein säuberlich aufgemalt – vielleicht ein schelmischer Kommentar zu Konkreter Kunst?
Colours and Lines in Motion | bis 7.1.2024 | Kunstmuseum Gelsenkirchen | 0209 169 43 61
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