Geld regiert die Welt – getreu diesem Motto werden jene, die reichlich davon besitzen oder über dieses verfügen können, oft argwöhnisch beäugt von denen, die nicht in dieser Position sind. Das gilt im Besonderen mit Blick auf Politiker in den kommunalen Räten, im Landtag, im Deutschen Bundestag oder im Europäischen Parlament. Sie sitzen sprichwörtlich an den Fleischtöpfen, können Einfluss nehmen auf institutionelle Geldströme. Es geht um Einfluss, ihn zu besitzen und zu mehren. Das war schon immer so – und sorgt in Hagen aktuell für reichlich interkulturelles Konfliktpotential.
Der dortige Unterbezirk der SPD kämpft gerade mit Beitrittswilligen, die als Gastarbeiter, Flüchtlinge oder Einwanderer nach Deutschland gekommen sind – oder als ihre Kinder hier geboren wurden. Es sind Bulgaren, Türken, Griechen und Kosovaren. Sie alle sind im Ruhrgebiet verwurzelt, leben und arbeiten hier, viele haben einen deutschen Pass. In einer pluralen Gesellschaft wollen sie, bislang teils politische abgehängt in Hagens Problem-Stadtteilen, an Einfluss gewinnen, um die Dinge in ihrem Stadtteil positiv beeinflussen oder ändern zu können. Ali Kerim Yavuz, seit 2013 SPD-Mitglied, ist einer von ihnen. Er hat in den vergangenen Jahren viele Neumitglieder für die Partei geworben. Das war den Altvorderen in seinem Unterbezirk lange genehm, denn die Migranten waren gut, um Mehrheiten zu sichern. Eingebunden wurden die Genossen mit Zuwanderungsgeschichte jedoch nur spärlich. Ali Yavuz ist eine Ausnahme.
Doch der gelernte Gas- und Wasserinstallateur, der mehrere Immobilien verwaltet und als ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer arbeitet, gilt als aufmüpfig. Er möchte in Hagen vieles verändern, ist nicht mit allem zufrieden, was die SPD dort veranstaltet. „Es wird zu wenig gegen Alltagsrassismus getan“, sagt er. Er ärgert sich über wackelnde Pflastersteine auf den Parkstreifen in Hagen-Wehringhausen, wie den Umstand, dass aus seiner Sicht zu wenig gegen die Arbeitslosigkeit in der Stadt getan wird. „Anstatt Firmen wie Douglas zu halten, lässt man sie abwandern.“ Viele von denen, die er und seine Mitgenossen geworben haben, nicken bei jener Versammlung, die nunmehr notwendig geworden ist. 51 Männer und Frauen, für die SPD als Mitglieder geworben von Yavuz und seinen politischen Mitstreitern, dürfen nicht beitreten. Denn jetzt, wo er und seine Mitstreiter Veränderungen fordern, der ein oder andere sich gar vorstellen kann für ein Mandat zu kandidieren, ist der Aufschrei der Altvorderen groß. Es ist die Rede von Unterwanderung. In der Zeitung ist zu lesen, es seien Unterschriften der Beitrittswilligen gefälscht worden. Von den rund 30 Anwesenden im Saal schütteln alle den Kopf. „Wir sind doch hier; wir wollen mitmachen, etwas verändern“, ruft ein Mann Mitte 20.
Nachgefragt beim Unterbezirk Hagen der SPD, warum die Beitrittswilligen, ohne mit ihnen zu reden, abgelehnt wurden und was sie zu den im Raum stehenden Rassismus-Vorwürfen sagen, reagieren der Vorsitzende Timo Schisanowski und sein Geschäftsführer Claus Homm nicht. Die plurale Gesellschaft und ihre für die Parteienlandschaft resultierenden Folgen hat ihnen offenkundig die Stimme verschlagen. Der Gedanke an Einfluss zu verlieren – er scheint für sie undenkbar zu sein. Doch genau wissen das nur sie selbst.
Rund um das Thema - Offener Brief an SPD-Chefin Nahles
„Sie, Frau Nahles, kämpfen in Chemnitz gegen Rassismus und in Hagen gehört Alltagsrassismus in Ihrer eigenen Partei zum Alltag“, beklagen die Beitrittswilligen in einem Offenen Brief und fragen: „Wie passt das zusammen?“ Trotz der Ablehnung wolle man weiterhin in die SPD eintreten, einige sogar aktiv werden, sich mittel- bis langfristig einbringen in die Gremienarbeit. Auf den Vorwurf hin, man hätte ihre Unterschriften gefälscht, schreiben sie: „Wollen freiwillig und aus Überzeugung in die SPD eintreten.“
Nachgehakt – Rodungs - Stopp im Hambacher Forst
Der Rodungs-Stopp im Hambacher Forst, er darf als fulminanter Sieg für die Umweltbewegung gewertet werden, allen voran für den federführenden Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Kurs der Aktie des Energieversorgers RWE ist hingegen im Sinkflug. Er war auf die Entscheidung des Gerichts nicht vorbereitet. „Der Börsenstrompreis ist so niedrig wie lange nicht mehr. Das liegt auch am Erfolg der erneuerbaren Energien mit ihren niedrigen Grenzkosten“, weiß Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND NRW. Er wirbt für erneuerbare Energien und das Ende des Braunkohleabbaus in Deutschland.
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