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Die Kinderfabriziermaschinerie, Hans Schmitz-Wiedenbrück, Familienbild, (vor) 1939,
© German Art Gallery, The Netherlands

Von der Nacht über Deutschland

24. November 2016

„Artige Kunst“ in Bochum – Kunstwandel 12/16

Das sind schon aufwühlende Werke, großformatig, vom Führer selbst ausgesucht und angekauft: Da gleitet ein U-Boot durch den aufgewühlten Atlantik auf der Suche nach Feinden (Claus Bergen, vor 1941) da erzählt der Fronturlauber am Kaminofen vom spannenden Einsatz (Paul Mathias Padua, 1944). Das Museum unter Tage der Bochumer RUB-Sammlung Situation Kunst stellt diese (Mach-)Werke, die eine ganz besondere Haltung in Deutschland transportieren und manifestieren sollte, sogenannter „entarteter Kunst" gegenüber. Es gab in München 1937 die Ausstellung „Entartete Kunst“ (ein Publikumsmagnet) und nicht weit weg die „Große Deutsche Kunstausstellung“ (kein Publikumsmagnet). Mit Kunstpolitik hatte das ja auch nichts zu tun, mit Kunstfaschismus schon eher, diente diese „Nazifizierung der schönen Künste“ doch nur dem Endziel hohler Gehirne, und es muss tatsächlich eine nicht unbeträchtliche Gefahr von damals zeitgenössischer Kunst ausgegangen sein, wie man auch an den Besucherzahlen ablesen konnte.

Das Ausstellungsprojekt „Artige Kunst“ will sich in kritisch-analytischer Weise mit dieser immer noch nicht aufgearbeiteten Facette der Kulturpolitik des Nationalsozialismus auseinandersetzen und tut dies umfangreich in stiller, unaufgeregter Weise tief unter dem Rasen des Weitmarer Schlossparks. Auch didaktisch zieht das Ausstellungskonzept alle Register. Mit Audioguide, einer geschickten Hängung und thematischen Zusammenhängen zieht es die Betrachter durch die großzügigen Räume, auch bemüht, die Wirkung der regimetreuen Maler so minimal wie möglich zu halten, und sie an jedem Punkt des Weges sofort zu kontrastieren. Schon deshalb beginnt die Ausstellung nicht mit Nazi-Heroischem oder historischer Kunst-Avantgarde, sondern mit britischem Fotojournalismus von Sergeant Harry Oakes über die Massengräber in Bergen-Belsen und einer Serie von kleinformatigen Tuschearbeiten von Karl Schwesig (1898-1955) über Foltermethoden der Gestapo.

Die Frage, ob man Werke der offiziellen NS-Kunst überhaupt zeigen darf und was mit ihnen jenseits der Depots passieren soll, wird in einem breit angelegten Begleitprogramm thematisiert, das die Ausstellung bis zum Ende qualifiziert ergänzt. Dem Besucher stellt sich die Frage nicht mehr, die wirkmächtigen Schinken hängen ja, und sie scheinen in der Reihung auch ziemlich nervig zu werden, die saubere Familie beim Abendbrot hier, der stolze Bauer beim Pflügen dort oder auch Venus und Adonis mit heiliger Lanze, nackt in Öl (gemalt natürlich). Wenn die als Einzelbild in diversen Museen zu thematischen Ausstellung auftauchen, nimmt man sie durchaus nicht sofort als Nazi-Kunst wahr, deshalb gibt es seit Jahrzehnten Menschen die eine Verbannung auch von Mitläufern aus der Peripherie aus den deutschen Museen fordern. In Bochum erfreut die Seele nur, dass es viele der „entarteten“ Künstler in die internationale Kunstgeschichte geschafft haben. Ihre gemalten Anklagen gegen das System jedenfalls bleiben hängen, das Gesicht des weinenden kleinen „Gefangenen“ auch. Eine ganz wichtige Ausstellung. 

„Artige Kunst“ | bis 9.4. | Situation Kunst, Bochum | 0234 322 85 23

PETER ORTMANN

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