Ingo Ronkholz, der 1953 in Krefeld geboren wurde, an der dortigen Werkkunstschule und der Kunstakademie Düsseldorf studiert hat und auch heute in Krefeld lebt, gehört seit den 1990er Jahren zu den wichtigen deutschen Bildhauern mit einem reduzierten, konstruktiv orientierten Vokabular. Bevorzugt in Bronze und Stahl baut er Skulpturen, die über Verschiebungen, leichte Schrägen, Schichtungen und Staffelungen Öffnungen nach innen und sogar Durchsichten erzeugen und so die elementare kubische Gleichmäßigkeit unterlaufen. Die Fläche wird zur Basis für den Raum. Von jeder Seite sehen diese plastischen Körper anders aus. In ihrem Metallton und der dunklen, aufgerauten Patina tragen sie etwas Hermetisches in sich und gestatten doch ihre visuelle „Entschlüsselung“. Das gilt auch für seine Wandstücke, die sich regelrecht vor dem Betrachter aufklappen, also meist „flach“ bleiben.
Bereits 2004 hat das Kunstmuseum Bochum diese skulpturalen Werke gezeigt. Nun stellt es Ingo Ronkholz erneut vor, diesmal aber mit seinen Arbeiten auf Papier. Die Versuchung liegt nahe, die meist mittelformatigen Bilder als Vor- und Nachbereitungen von Skulpturen zu verstehen, schließlich gehen sie den gleichen Fragen nach. Tatsächlich aber sind sie überwiegend unabhängig entstanden. Meist handelt es sich um Collagen mit einzelnen Papierstegen oder dem zueinander versetzten Übereinander mehrerer Streifen, die ganz mit dunkler Farbe bedeckt sind und dadurch als materielle Substanz wirken. Die Öffnungen in die Tiefe – die auch jetzt an Fenster oder Türen denken lassen – suggerieren Licht. Die Bilder wirken als konzentrierter Raum, der nichts außer sich zeigt und sich doch in alle Richtungen ausdehnt. Dabei erreicht Ronkholz ein enormes Spektrum an Bildfindungen. Eine Skulptur gibt es auch zu sehen, aber erst am Ende der Ausstellung, sodass sie nichts vorwegnimmt und stattdessen die Komplexität der Bilder bestätigt. Diese aber sind Lehrstunden für das Wahrnehmen unserer täglichen Umgebung. Trockene Kost? Ganz und gar nicht. Vielmehr: Eine Wohltat in unserer reizüberfluteten Welt.
„Ingo Ronkholz im Kunstmuseum Bochum. Ein Sammlungsprojekt“ | bis 21.5. | Kunstmuseum Bochum | 0234 910 42 30
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Räume und Zeiten
Eindrucksvoll: Theresa Weber im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 08/24
„Eine von Verflechtungen und Austausch geprägte Welt“
Kuratorin Julia Lerch Zajaczkowska über Theresa Webers „Chaosmos“ im Kunstmuseum Bochum – Sammlung 06/24
„Die Realitäten haben sich verändert“
Die Kuratorinnen Özlem Arslan und Eva Busch über die Ausstellung zur Kemnade International in Bochum – Sammlung 04/24
Räume beleben
„Our house is a very very very fine house“ im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 01/24
„Toll für die Stadt, dass wir dieses Museumsgebäude haben“
Kuratorin Julia Lerch Zajączkowska über die Jubiläumsausstellung des Kunstmuseums Bochum – Sammlung 11/23
Alle mal spielen!
Takako im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 05/23
Das Rätsel des roten Steins
Inventur im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 02/23
Kulissen und Kojoten
Ian Page im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 10/22
Brauchtum im 21. Jahrhundert
„Von den Vorfahren geleckt“ im Bochumer Kunstmuseum – Kunstwandel 04/22
Vom Zeigen und Verschwinden
Sieben Künstlerinnen im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 01/22
Eine unerwartete Erbschaft
„Kunst lesen“ in Bochum
Nudel, Mops und Knollennase
Loriot in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Ruhrkunst 03/25
Hannibal, ungeschönt
Latefa Wiersch im Dortmunder Kunstverein – Ruhrkunst 03/25
Gewebt, geknüpft, umwickelt
Sheila Hicks in Bottrop – Ruhrkunst 02/25
Wovon Bunker träumen
„Radical Innovations“ in der Kunsthalle Recklinghausen – Ruhrkunst 02/25
Auf Augenhöhe
Deffarge & Troeller im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/25
Runter von der Straße
Graffiti-Künstler im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/25
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24
Strich für Strich
„Zeichnung: Idee – Geste – Raum“ in Bochum – Ruhrkunst 12/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
Roter Teppich für das Kino
Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 08/24