Irgendwie stand es wohl schon bei Nostradamus. Die Zeiten ändern sich. Rapide. Ich hab es gespürt. Ab jetzt darf ich nur noch in einem Altenheim wählen gehen. Warum? Keine Ahnung. Wanderte ich brav jahrzehntelang ins dreihundert Meter entfernte Schulzentrum, so muss ich heute in die andere Richtung. Gut dass ich noch einmal auf meinen Wahlzettel geblickt habe. Ändern tut das natürlich nichts. Ich bin einer dieser gefürchteten, weil unberechenbaren Wechselwähler. Im letzten Vierteljahrhundert habe ich bei Bundestagswahlen immer eine andere Struktur gewählt, selbst unter den ungültigen Stimmen war ich einmal zu finden. Dieses System, oder nennen wir es besser diese Haltung, habe ich auch in diesem Jahr durchgehalten, nicht weil es mir Freude bereitet, sondern weil ich mir Gedanken mache über die Strategie, die ich mit meiner Stimmabgabe verfolge und da verändern sich eben kontinuierlich die Parameter. Die Zeiten ändern sich schließlich.
Was ich mit diesem Wahlergebnis 2013 anfangen soll, weiß ich noch nicht. Eigentlich ist es der tatsächliche Beweis für eine Demokratie, deren Bürger mit dem Stimmzettel echte Gewalt in den Händen haben. Ob ich zu den Gewinnern oder Verlierern gehöre? Ich gehöre immer zu den Gewinnern. Ob ich mich freue? Nein. Ob ich trauere? Das schon gar nicht. Dennoch erzeugt das Ergebnis irgendwie einen merkwürdigen Beigeschmack im Mund. Wieder einmal hätte es eine Populistenpupserpartei beinahe mit kernigen Schlagwörtern und pseudosachlichen Inhalten in die Parlamente geschafft. Die AfD fordert die Auflösung des Euro-Währungsraums, sie fordern Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild und sie fordert natürlich die Verhinderung ungeordneter Zuwanderung in die Sozialsysteme. Zuwanderer seien schließlich der soziale Bodensatz in Deutschland, so Parteichef Bernd Lucke, seines Zeichens Volkswirtschaftsprofessor in Hamburg, Ex-CDU Mitglied und fünffacher Vater. Schließlich will seine Partei auch die heilige D-Mark wieder einführen. Das alles freut die auf Rechtsaußen. Da wird man mittun, ob die Profs wollen oder nicht. Und beinahe wären sie auch noch über die Fünfprozenthürde gehüpft, dieses merkwürdige Konglomerat aus Wissenschaft und Baseballschläger. Die anderen Populisten mit Spaßfaktor sind wieder im Laptop verschwunden, Piraterie hat eben keine Zukunft, latenter Rassismus in Deutschland immer.
Was bleibt ist ein großer schwarzer Block im Bundestag, ein halb so großer rosa, etwas grün, etwas rot. Daraus soll nun eine stabile Regierung entstehen? Ich glaube nicht. Was kommt ist entweder eine große Koalition, die mehr Blockade als Aufbruch verspricht, oder schwarzgrün. Doch soweit scheinen wir in Deutschland noch nicht zu sein. Möglicherweise muss ich bald wieder ins Altersheim und noch mal kreuzen, denn vier Jahre werden beide denkbare Konstellationen nicht durchhalten. Und was dabei am ärgerlichsten ist: Die MEHRHEIT links von den Konservativen ist zu feige für Verantwortung. Wer hat uns also mal wieder verraten?
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