Zwischen 1957 und 1959 führte Yves Klein (1928-1962) mit der Wandgestaltung im Foyer des Musiktheaters seine größte und bekannteste Arbeit aus. Gemeinsam mit dem Architekten Werner Ruhnau entwickelte Yves Klein Konzept und Umsetzung für die monumentalen Wandarbeiten. Der strukturelle Untergrund der blauen Bilder sollte direkt auf die Wand gebracht werden. Das Naturschwamm-Relief wurde 140 Quadratmeter groß und ist auch von außen deutlich sichtbar. Die monumentalen Schwammreliefs verstrahlen ein tiefes Blau, das berühmt gewordene „Gelsenkirchener Blau“. Diese Farbe hatten Werner Ruhnau, der Wuppertaler Kunstprofessor Ernst Oberhoff und Yves Klein gemeinsam entwickelt. trailer sprach mit dem Komponisten Felix Leuschner über den „Yves Klein-Sommer“:
trailer: Herr Leuschner, das Gelsenkirchener Blau hat nichts mit Schalke 04 zu tun?
Felix Leuschner: Das halte ich für einen Mythos. Ich glaube, dass es gar keine Zufälle geben kann. Wenn alles hier blau-weiß ist, und das Erste, was ich hier aus meinem Fenster heraus gesehen habe, als ich hier eingezogen bin, war, dass jemand seine komplette Garage blau-weiß angemalt hat. Ich glaube nicht an Zufälle.
Aber in diesem Falle geht es um den Künstler Yves Klein. Der hier im Foyer in der Zeit von 1957 bis 1959 eine sehr große, seine größte Arbeit gemacht hat.
Die Größte, zumindest was die Dimensionen angeht.
Auf jeden Fall außergewöhnlich.
Das Interessanteste an dieser Arbeit ist, dass die nicht einfach nur ein Bild ist, das er erst gemalt hat und das dann aufgehängt wurde, sondern dass das Werk bereits in den Bauprozess von dem Theater miteinbezogen wurde. Das heißt, dass das Blaue eigentlich immer ein Teil der Architekturplanung war – ich glaube, dass dies das Spezielle dieser Arbeit ist. Was ich daran auch interessant finde, ist, dass wir ja mit unserem Projekt hier genau das Gleiche machen – etwas für einen bestimmten Ort zu schreiben oder zu machen, was von dem Ort fast nicht mehr wegzudenken ist oder ohne den Ort fast nicht zu denken war.
Und wie wichtig ist das Blaue für das Musiktheater Gelsenkirchen, als Anziehungspunkt?
Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Für mich ist das ein allerdings wichtiger Punkt. Alleine schon als Inspirationsquelle für alle möglichen Leute. Also Bernd Alois Zimmermann, ein Komponist aus dem Rheinland (1918-1970, d. Red), der hat ja genau für diesen Raum hier, inspiriert von diesem Ort, ein ganzes Orchesterstück geschrieben. Und das hat wirklich diesen Blick im Foyer auf die Arbeit als formale Struktur für sein Stück benutzt.
Aber für Orchestermusik reicht auch ein zwanzigminütiger D-Dur-Akkord aus?
Klar. Natürlich, aber nicht nur der, sondern auch die zwanzigminütige Stille danach. Spätestens mit den zwanzig Minuten Stille wird es Musik, wenn es nicht schon davor Musik ist. Ich glaube, dass das davor auch schon Musik ist.
Sind diese zwanzig Minuten in Yves Kleins 1960 uraufgeführten „Symphonie-Monoton-Silence“ eigentlich vorgeschrieben, oder ist nur das Verhältnis vorgeschrieben?
Es gibt verschiedene Versionen von der Sinfonie, und es gibt auch unterschiedliche Besetzungsvarianten. Letzten Endes kann man es in unterschiedlicher Länge, mit unterschiedlichen Besetzungen spielen, aber um das Verhältnis kommt man nicht herum, also um diese zwei gleichen Teile. Yves Klein hat so viele Skizzen dazu gemacht, dass es sicher unterschiedliche Zeitangaben gibt.
Ist das Musikstück eher Musiktheorie? Oder auch monochrome Kunst?
Also ich glaube, dass es überhaupt keine Musiktheorie ist, denn Yves Klein hat ja überhaupt nicht musiktheoretisch gedacht und sich auch kunsttheoretisch kaum geäußert. Eigentlich ist diese ganze Rezeption und das Näherbringen seiner ganzen Kunst dann eher durch andere, vor allem durch den französischen Kunstkritiker Pierre Restany entstanden. Ich glaube, dass Yves Klein eher eine unglaublich gute Intuition für formale Strukturen und ihre künstlerische Umsetzung hatte. Deshalb ist das Musikstück auf keinen Fall Musiktheorie. Sondern erst mal wie auch immer – Bildende Kunst. Er ist ja auch kein Komponist gewesen. Aber es war ein künstlerischer Ausdruck seines Monochromie-Gedankens.
Das passt nahtlos mit John Cage zusammen?
Auf alle Fälle. Die Verbindung zwischen Cage und Yves Klein ist nicht von der Hand zu weisen, auch wenn sie ihre Unterschiede haben. Bei Cage hat Stille nichts mit Monochromie zu tun, aber mit einem ähnlichen Empfinden für Zeit. Deswegen haben sie sehr viele Berührungspunkte.
Gibt es denn hier in Gelsenkirchen überhaupt ein Publikum dafür?
Das werden wir sehen. Ich habe bis jetzt mit Neuer Musik der unterschiedlichsten Art die Erfahrung gemacht, dass wo immer dieses Publikum auch herkommt, es Publikum dafür gibt. Wenn man sich die letzten neuen Stücke wie „Ubu“ oder „La Grande Magia“ anschaut – die sind gut besucht. Wir haben vor drei Jahren die Eichbaum Oper gemacht – auch super besucht. Also ich habe bis jetzt nur gute Erfahrungen hier gemacht und hoffe, dass das so bleibt und dass auch so Leute wie John Cage hier Interessierte finden.
Was ist im „Yves Klein-Sommer“ sonst noch geplant?
Es gibt eine Podiumsdiskussion, wo auch der damalige Architekt Werner Ruhnau dabei sein wird. Da wird dann ein bisschen über Yves Klein und seine Arbeit hier in Gelsenkirchen gequatscht. Am 6. Juli wird es dann eine Performance geben, eine Vor-Performance von meinem Stück im Oktober, das „Ich erinnere mich an den Himmel“ heißt, und die wird schon Teile von unserer Oper beinhalten.
John Cage: Song Books I So 17.6. 15 Uhr I MiR Gelsenkirchen I 0209 409 72 00
Yves Klein: Symphonie – Monoton – Silence I Sa 30.6. 20 Uhr I MiR Gelsenkirchen I 0209 409 72 00
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