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Prinz Asfa-Wossen Asserate informierte über die Lage in Afrika
Foto: Benjamin Trilling

„Europa muss seine Afrikapolitik endlich verändern“

24. April 2016

„Die Europäische Afrikapolitik im Spiegel der Flüchtlingskrise“ am 23.4. im Mülheimer Theater an der Ruhr

Höflich aber beherzt antwortet Prinz Asfa-Wossen Asserate auf die Frage aus dem Publikum, wer denn dafür sorgen solle, dass es in Afrika politisch und sozial aufwärts gehe und die zahlreichen Diktaturen dort ein Ende finden: „Meine Damen und Herren, Sie selbst müssen dafür sorgen, dass ihre Regierung nicht diktatorische afrikanische Staaten unterstützt.“ Die Haltung der deutschen Politik kennt er nur zu gut: „Geben Sie doch zu“, hat ihm mal ein deutscher Politiker, dessen Namen Asserate nicht verraten will, in einem Gespräch gesagt: „Mit einer Person lässt sich doch einfacher verhandeln.“ Immer wieder fragt der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, wo Europa seine Werte und Ideale gelassen habe. Denn auch Europa agiert auf dem schwarzen Kontinent als global player mit in erster Linie wirtschaftlichen Interessen. Dabei ist für ihn klar: „Die Lösungen können nicht von Afrika kommen. Wir sind dafür zu schwach. Europa muss seine Afrikapolitik endlich verändern.“ Wie es um den Kontinent bestellt ist, fasste der Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten im Rahmen des Festivals „Theaterlandschaft Mittelmeer“ in einem Vortrag zusammen.

Obwohl man Afrika zuletzt in Schlagzeilen mit K-Wörtern wie Krise, Krieg oder Krankheit verbunden habe, sei dort ein wirtschaftlicher Aufschwung zu beobachten – nach der Wirtschaftskrise habe es dort ein stärkeres Wirtschaftswachstum als im Westen gegeben: Im Zuge neoliberaler Maßnahmen konnte man zuletzt ein Bruttoinlandsprodukt von 1,6 Billionen US-Dollar (mehr als etwa Russland oder Brasilien), einen Boom im Energiesektor sowie eine „regelrechte Revolution in der Informations- und Kommunikationstechnologie verzeichnen. Für das nächste Jahr prognostizieren ExpertInnen ein Wachstum von sechs Prozent. All das lockt neben dem immensen Reichtum an Ressourcen auch Investoren an. Ein neuer wichtiger Partner sei in den letzten Jahren China geworden. Hoffnung wecke auch die Stärkung der afrikanischen Mittelschicht. Als Folge lässt sich aber auch beobachten, „dass das Millionenmeer an Verarmten weiter an den Rand gedrängt wird.“ Was Afrika angeht, so überwiegen nach wie vor die schlechten Nachrichten.

 

„In vielen Bereichen ist Afrika noch immer das Schlusslicht der Welt: Von A wie Analphabetenrate bis Z wie Zahnarztdichte.“ Zwei von drei BewohnerInnen gehen noch immer hungernd ins Bett. Was der Bestsellerautor („Manieren“) mit Blick auf die internationale Afrikapolitik anprangert, ist das sogenannte „land grabbing“: Das Aufkaufen von Agrarflächen durch private oder staatliche Investoren – für billigen Export oder Spekulation. Allein in seinem Heimatland Äthiopien seien in den letzten 18 Monaten 1,5 Milliarden Hektar an arabische oder chinesische Investoren abgetreten worden. „Vor dem, was dort produziert wird, bleibt nicht ein Kilo hier. Und Afrika geht vor die Hunde.“ Denn der neoliberale Landraub verursacht auch Vertreibung und Migration.

 

In Anlehnung an Martin Luther Kings berühmte Rede gesteht Asserate dem Publikum im Theater an der Ruhr seinen Alptraum: Eines morgens hört er im Radio, dass sieben Millionen Afrikaner auf dem Weg nach Gibraltar sind. Ihre Antwort auf die brutale Abschottungspolitik: „Schießt doch eine Atombombe auf unseren Kontinent, denn da haben wir eh nichts zu essen.“ Es wären vor allem junge ProtagonistInnen in diesem Alptraum. Denn 85 Prozent der afrikanischen Bevölkerung seien unter 25. „Europa sollte sich diese jungen Menschen nicht zu Feinden machen“, so der politische Analyst. Als er selbst 1974 Äthiopien verließ, habe es acht Flüchtlinge gegeben. „Jeder kannte sie beim Namen.“ Heute sind es zweieinhalb Millionen Flüchtlinge. Wer damals emigrierte, war in seinem Heimatland geächtet, Flüchtling war so etwas wie ein Schimpfwort. „Heute ist es ein neues Wort für Hoffnung.“

Benjamin Trilling

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