Gleich die frühen Bilder aus der zweiten Hälfte der 1940er Jahre belegen in der Hagener Ausstellung, wie leidenschaftlich und zugleich spielerisch, oft humorvoll Karel Appel (1921-2006) bei seiner Malerei zur Sache gegangen ist. Appel ist zupackend mit der Farbe, um Figuren, Landschaften, Architektur darzustellen. Seine malerische Expressivität, die Beschäftigung mit der Farbmaterie und die Zeitgenossenschaft zu dem aus Hagen stammenden Maler Emil Schumacher (1912-1999) „erden“ Appel in dessen Museum. Wichtig ist die Ausstellung auf alle Fälle: Die letzte Überblickschau, die dem wohl bedeutendsten holländischen Maler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland eingerichtet wurde, liegt ein Vierteljahrhundert zurück.
Lange wurde Karel Appels Kunst weitgehend auf seine Rolle bei der Künstlergruppe CoBrA reduziert; auch diese Sicht wird in Hagen relativiert. Sowieso nur von 1948 bis 1951 in Paris aktiv, tritt CoBrA für Appel hinter andere Querverweise und Quellen zurück. Karel Appel, der ab 1950 in Paris sesshaft wurde und dort den Dialog mit den Avantgardekünstlern aufnahm, wurde 1952 von dem Kunstkritiker Michel Tapié zur wegweisenden Ausstellung „Un Art Autre“ („Eine andere Kunst“) eingeladen. Hatten seine Strichfiguren zunächst ein wenig an Naive Malerei erinnert, so gewann nun die Farbe, die er direkt aus der Tube auf die Leinwand setzte oder mit weiteren Materialien verdickte, eine vitale Präsenz. Ein weiterer Einfluss war die Kunstszene in New York, wo er sich ab 1957 aufgehalten hat, zunächst Willem de Kooning und Franz Kline kennenlernte und später auch ein Atelier bezog. Aber auch wenn Appel fortan zwischen Frankreich und Amerika pendelte, so war er doch schon frühzeitig in seiner Heimat etabliert. 1954 stellte er im niederländischen Pavillon auf der Biennale Venedig aus; seine erste Retrospektive im Stedelijk Museum Amsterdam – Hollands erster Adresse – fand 1965 statt.
Karel Appels Kunst vereint lineare Elemente mit flächiger Malerei. Die Farbe ist im ausgreifenden, oft spontan wirkenden Duktus aufgetragen, der Gegenstand ist in ökonomischer Abbreviatur regelrecht eingezeichnet. Er bleibt lapidar notiert, fast wie eine Skizze, zugleich von größter Intensität und scheint aus dem Augenblick heraus zu leben. Phasenweise wechselt die Bedeutung der Farben und ihres Zusammenspiels, zugleich mit den teils gesellschaftlichen (z.B. ökologischen) Themen. Die Dinge und Figuren treten, mitunter breit konturiert, in den Vordergrund oder verschwinden fast in Farbmassen, welche dynamisch im Bildfeld strudeln. Dann wieder lehnt sich die Figur perspektivisch in die Bildtiefe. So frisch das alles wirkt, so „klassisch“ sind Appels Sujets selbst. So entsteigt ein weiblicher Akt dem locker gestrichenen, ebenfalls weißen Farbgrund, der über einer dichten schwarzen Fläche liegt: als „sauge“ die Figur ihre Existenz aus der Farbmaterie („Schwarz-Weiß-Akt Nr. 2“, 1990).
Eine stille Intensität kennzeichnet wiederum die Porträts. Dafür steht in der Ausstellung besonders das Bildnis von Machtold (1956), seiner Ehefrau. Machtolds Blick behauptet sich in der gemalten Verschattung und reicht vollauf, um sie zu charakterisieren. Das Porträt ist auf das Wesentliche konzentriert, die Farben halten sich in der Balance. Aber Appel kommt ebenso wieder auf die Strichzeichnung von Figuren und Köpfen zurück, und im Grunde wird er damit zu einem Vorläufer etlicher Graffiti-Künstler. Daneben wiederum finden sich weitgehend abstrakte, nun ganz von der Farbe und der Malweise bestimmte Bilder. Also, auch wenn man einzelne Gemälde oder Phasen nicht mag: Als Malerei aus einer Zeit, in der sich die Kunst ihren Weg erst noch suchen musste und sich dabei immer wieder neu erfand, ist die Ausstellung höchst sehenswert, ja, eigentlich ein Muss.
„Karel Appel – Der abstrakte Blick“ | bis 15.1. | Emil Schumacher Museum Hagen | 02331 207 31 38
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