Wenn eines an dieser Ausstellung erstaunt, dann dass sie erst jetzt stattfindet. Der Iserlohner Maler Wilhelm Wessel war ein Zeitgenosse von Emil Schumacher, dem „Hausherrn“ dieses Museums. Die beiden Künstler kannten sich persönlich, waren in denselben Ausstellungen zur abstrakt informellen Kunst vertreten und vertraten ja auch verwandte Konzepte mit zeitweilig ähnlich anmutenden Resultaten. Im Erdigen und der Erweiterung der Fläche hin zum Materialbild sowie den sparsamen Verweisen auf Gegenständlichkeit – Natur, Landschaft, Kreatürlichkeit – liegen direkte Parallelen vor. Schumacher ist in seiner Kunst gewiss zupackender und erzielt mit einer einzigen durch die Bildfläche schneidenden Linie einen ganzen Kosmos an Welthaltigkeit. Wie sehr auch Wessel in aller bedachten Kleinteiligkeit einen bedeutenden Beitrag zur abstrakten Kunst der 1950er und 1960er Jahre geleistet hat, bestätigt nun die chronologisch angelegte Überblicksschau.
Wilhelm Wessel wurde 1904 in Iserlohn geboren. Er hat sich kurze Zeit am Bauhaus in Weimar aufgehalten und ab 1927 an der Kunsthochschule in Berlin-Charlottenburg studiert, ist danach als Lehrer tätig und wird zum Kriegsdienst eingezogen. Zu beachtlichen künstlerischen Werken findet er erst nach dem Weltkrieg, als sich in Deutschland die abstrakte Kunst als kultureller Neubeginn durchsetzt und er sich ihr schon bald zuwendet. Zugleich agiert er als Kunstvermittler, der Ausstellungen deutscher Künstler in Amsterdam und Paris organisiert. Er ist der Mitgründer des Westdeutschen Künstlerbundes als Ausstellungsgemeinschaft und bald auch dessen Vorsitzender. Selten aber gibt es einen „Kunstfunktionär“, der als Künstler zeitweilig so innovative Kunst beisteuert wie Wilhelm Wessel.
Sehr gut, dass die Ausstellung noch mit den gegenständlich figurativen Gemälden der frühen 1950er Jahre einsetzt. Die Formen sind blockhaft gedrängt, statuarisch als Erscheinungen für sich und als Liniengerüst verzahnt mit dem Bildgrund – wie selbstverständlich erfolgt von hier aus Mitte des Jahrzehnts der Wechsel in die Abstraktion. Wessel malt mit Ölfarbe und Kunstharz in schründig erdigen Farben. Die Bildfläche ist zersplittert, nurmehr Fetzen und Ahnung von Erde, Gestein, wie von oben fokussiert oder aus unmittelbarer Nähe, umso mehr als Wilhelm Wessel Collagenteile – Scherben, Glas, Papier oder Stoff – aufsetzt und in die Malerei integriert. Mit solchen Werken – in der Ausstellung etwa „Rechts Blau“ (1957) und „Rot II“ (1960) – bewahrt er sich einen sehr eigenen Klang.
Das authentisch „Eigene“ aber verstärkt sich mehr noch mit dem Zugewinn von Weiß auf der Fläche und einer Zentrierung der sich ereignenden Materie, die sich nun zusammenballt: Diese Bilder, die durch den frühen Tod Wessels 1971 plötzlich zum späten Werk werden, erhalten den proportional angemessenen Anteil der Ausstellung. Geglückt ist die Gegenüberstellung der Malphasen von Dunkel und Hell und die Nahsichtigkeit der kleinformatigen letzten Bilder von Wessel, die noch Schrift auf der weißen Fläche collagieren. Seinen Platz in der Geschichte der Kunst in Deutschland aber hat er mit den großen dunklen Gemälden sicher.
Wilhelm Wessel – Verwandlung als Prinzip | bis 17.3. | Emil Schumacher Museum Hagen | 02331 207 31 38
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