Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Utz Brocksieper, Blick in die Ausstellung im Emil Schumacher Museum, Hagen 2024, © Künstler
Foto: Joachim Schwingel, ESM

Der Reiz von Stahl

06. Mai 2024

Daheim: Utz Brocksieper im Emil Schumacher Museum in Hagen – kunst & gut 05/24

Wie komplex eine einfache geometrische Form sein kann. Über Jahrzehnte hat Utz Brocksieper den Keil als Konstruktion durch den Menschen zum Ausgangspunkt seiner Skulpturen, Reliefs, Zeichnungen, Land Art-Projekte und Aktionen genommen. Im Emil Schumacher Museum ist mit all dem eine dichte Ausstellung entstanden, in der die Werke den Betrachter umfangen und sich zugleich großzügig im Raum verteilen. 

Als langgestrecktes Dreieck aus einzelnen Stäben oder als geschlossene Form dehnt sich der Keil zu einer Seite hin aus und schließt sich auf der gegenüberliegenden in einem Punkt zusammen. Er erzeugt Dynamik und steht für Konzentriertheit und Stabilität. Als Werkzeug, das spitz zuläuft, spaltet der Keil. Er schiebt sich zwischen die Hälften und rückt sie aus ihrer Position. Indem Brocksieper mit Stahlelementen arbeitet, kommt noch der Reiz der Oberfläche hinzu. Gewonnen in flüssigem Zustand aus der Erde und ab einer bestimmten Dicke nur unter Hitze zu verformen, vermittelt er als erkaltete starre Masse im rostroten Ton etwas Archaisches. Das zeigt sich bei Utz Brocksiepers Sockelplastiken, die unruhig und wie ein Stück Natur nach oben drängen, zumal wenn sie mit scharfen geraden Schnitten unterteilt sind.

Aber das ist längst nicht alles. Einzelne Plastiken in der Ausstellung sind aus Stäben und industriellen Trägern zusammengesetzt, die glatt geschliffen und einheitlich rot lackiert sind, sodass sie an öffentlichen Orten wie Signale wirken. Die Achsen halten sich gegenseitig in einem labilen Gleichgewicht, während sie sich mit wenigen Auflagepunkten in die Höhe aufrichten. Die Skulptur wird – irgendwie federleicht – zum Zeichen im Raum, in handwerklicher Beherrschung.

Utz Brocksieper, Keilfigur, 1983, Stahl, Höhe 55 cm, © / Foto: Utz Brocksieper

Utz Brocksieper, der 1939 in Hagen als Sohn des Bauhauskünstlers Heinrich Brocksieper geboren wurde, hat zunächst eine Ausbildung als Schlosser und Maschinenbautechniker absolviert. Später hat er an der Folkwang Hochschule Essen und an der Kunstakademie Stuttgart studiert und danach als Bildhauer in Düsseldorf gearbeitet. Seit 1993 hat er das Atelier in seiner Heimatstadt. Es ist naheliegend, dass er dort mit dieser Ausstellung gewürdigt wird, nicht nur zum Geburtstag, sondern auch für sein Werk, das mit seiner konzentrierten Thematik so vielschichtig und immer wieder überraschend auftritt. Im Emil Schumacher Museum stellt sich, unterstrichen durch Gegenüberstellungen, eine Verwandtschaft zum expressiv-abstrakten Maler ein, dem das Museum gewidmet ist: in den kräftigen, dunkel auftretenden Schnitten und der erdigen Tonalität, im Ausloten unruhig brodelnder Flächen und der schieren Masse der Materialität, die plötzlich einen leisen poetischen Anflug erhält. Tatsächlich lassen sich Brocksiepers ungegenständliche, teils konstruktive Skulpturen mitunter auch als Zustände menschlicher Emotionalität verstehen, verbunden mit einer hohen Sensibilität. – Was das Osthaus Museum gegenüber betrifft: Dort findet eine Ausstellung mit Jan Meyer-Rogge statt, einem weiteren Bildhauer dieser Generation. Auch er arbeitet mit Metall und nimmt Bezug auf die Natur – im Gegenüber wird das jeweils Besondere nur noch deutlicher. 

Utz Brocksieper. Skulpturen – Zeichen und Eingriffe | bis 27.10. | Emil Schumacher Museum Hagen | 02331 207 31 38

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

„Auf Fautrier muss man sich einlassen“
Direktor Rouven Lotz über „Jean Fautrier – Genie und Rebell“ im Emil Schumacher Museum Hagen – Sammlung 07/24

Auf und mit der Oberfläche
Wilhelm Wessel im Emil Schumacher Museum in Hagen – kunst & gut 02/24

Regeln der Kunst
Die Sammlung des Josef Albers Museum Quadrat Bottrop zu Gast in Hagen – kunst & gut 01/22

Spiel der Farben
Fritz Winter im Emil Schumacher Museum in Hagen – kunst & gut 12/20

Farbe in Bewegung
Eindrucksvoll: K. R. H. Sonderborg im Emil Schumacher Museum Hagen – kunst & gut 01/20

Stille Avantgarde
Heinrich Brocksieper in Hagen – Ruhrkunst 06/19

Unruhe, gebändigt
Gerhard Hoehme in Hagen – Ruhrkunst 12/18

Im Aufbruch
Peter Brüning in Hagen – Ruhrkunst 01/18

Keine alte Geschichte
Der Gilgamesch-Epos in Hagen – Ruhrkunst 02/17

Geister aus der Farbe
Karel Appel im Emil Schumacher Museum in Hagen – kunst & gut 10/16

Regeln zur Malerei
Zdeněk Sýkora in Hagen – RuhrKunst 10/15

Künstler am Montmartre
Henri de Toulouse-Lautrec in Hagen – RuhrKunst 01/15

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!