Wie komplex eine einfache geometrische Form sein kann. Über Jahrzehnte hat Utz Brocksieper den Keil als Konstruktion durch den Menschen zum Ausgangspunkt seiner Skulpturen, Reliefs, Zeichnungen, Land Art-Projekte und Aktionen genommen. Im Emil Schumacher Museum ist mit all dem eine dichte Ausstellung entstanden, in der die Werke den Betrachter umfangen und sich zugleich großzügig im Raum verteilen.
Als langgestrecktes Dreieck aus einzelnen Stäben oder als geschlossene Form dehnt sich der Keil zu einer Seite hin aus und schließt sich auf der gegenüberliegenden in einem Punkt zusammen. Er erzeugt Dynamik und steht für Konzentriertheit und Stabilität. Als Werkzeug, das spitz zuläuft, spaltet der Keil. Er schiebt sich zwischen die Hälften und rückt sie aus ihrer Position. Indem Brocksieper mit Stahlelementen arbeitet, kommt noch der Reiz der Oberfläche hinzu. Gewonnen in flüssigem Zustand aus der Erde und ab einer bestimmten Dicke nur unter Hitze zu verformen, vermittelt er als erkaltete starre Masse im rostroten Ton etwas Archaisches. Das zeigt sich bei Utz Brocksiepers Sockelplastiken, die unruhig und wie ein Stück Natur nach oben drängen, zumal wenn sie mit scharfen geraden Schnitten unterteilt sind.
Aber das ist längst nicht alles. Einzelne Plastiken in der Ausstellung sind aus Stäben und industriellen Trägern zusammengesetzt, die glatt geschliffen und einheitlich rot lackiert sind, sodass sie an öffentlichen Orten wie Signale wirken. Die Achsen halten sich gegenseitig in einem labilen Gleichgewicht, während sie sich mit wenigen Auflagepunkten in die Höhe aufrichten. Die Skulptur wird – irgendwie federleicht – zum Zeichen im Raum, in handwerklicher Beherrschung.
Utz Brocksieper, der 1939 in Hagen als Sohn des Bauhauskünstlers Heinrich Brocksieper geboren wurde, hat zunächst eine Ausbildung als Schlosser und Maschinenbautechniker absolviert. Später hat er an der Folkwang Hochschule Essen und an der Kunstakademie Stuttgart studiert und danach als Bildhauer in Düsseldorf gearbeitet. Seit 1993 hat er das Atelier in seiner Heimatstadt. Es ist naheliegend, dass er dort mit dieser Ausstellung gewürdigt wird, nicht nur zum Geburtstag, sondern auch für sein Werk, das mit seiner konzentrierten Thematik so vielschichtig und immer wieder überraschend auftritt. Im Emil Schumacher Museum stellt sich, unterstrichen durch Gegenüberstellungen, eine Verwandtschaft zum expressiv-abstrakten Maler ein, dem das Museum gewidmet ist: in den kräftigen, dunkel auftretenden Schnitten und der erdigen Tonalität, im Ausloten unruhig brodelnder Flächen und der schieren Masse der Materialität, die plötzlich einen leisen poetischen Anflug erhält. Tatsächlich lassen sich Brocksiepers ungegenständliche, teils konstruktive Skulpturen mitunter auch als Zustände menschlicher Emotionalität verstehen, verbunden mit einer hohen Sensibilität. – Was das Osthaus Museum gegenüber betrifft: Dort findet eine Ausstellung mit Jan Meyer-Rogge statt, einem weiteren Bildhauer dieser Generation. Auch er arbeitet mit Metall und nimmt Bezug auf die Natur – im Gegenüber wird das jeweils Besondere nur noch deutlicher.
Utz Brocksieper. Skulpturen – Zeichen und Eingriffe | bis 27.10. | Emil Schumacher Museum Hagen | 02331 207 31 38
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