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Klaus Armbruster

„Ich halte Großstädte für ein schlechtes Ergebnis der menschlichen Zivilisation“

29. April 2011

Klaus Armbruster präsentiert in Halle 5 auf Zollverein 81 Bilder, montiert zu einem riesigen Triptychon - Sammlung 05/11

25 Jahre lang hat sich Klaus Armbruster als Film- und Medienkünstler immer wieder mit der Region auseinandergesetzt. Inzwischen zu seiner ursprünglichen Profession als Maler zurückgekehrt, bringt er ihre Geschichte und Gegenwart seit nunmehr vier Jahren mit dem Pinsel auf die Leinwand. Bevor er das Ruhrgebiet zum Ende des Jahres wieder verlässt, widmet er ihm jetzt ein monumentales Werk. Hinter dem Ausstellungstitel „Die Städte sind für Dich gebaut“ aus Bertolt Brechts „Lesebuch für Städtebewohner“ steckt ein vielschichtiges künstlerisches Gesamtwerk, das die Grundthemen des Ruhrgebiets als Brennpunkt existenzieller Menschheitsfragen aufgreift und sich den hier lebenden Menschen widmet. Er hat dazu zentrale Filmausschnitte aus seinem letzten großen Multimedia-Projekt, dem RUHRWERK, ausgewählt und ihren flüchtigen Augenblick in die Stille und Materialität des Tafelbildes transformiert. trailer sprach mit ihm anlässlich der Eröffnung.

trailer: Herr Armbuster, Ihre Montage hat etwas Theatralisches. Wie entscheidend ist die Dramaturgie für den Gesamteindruck?
Klaus Armbruster:
Es hat etwas Theatralisches, das kann ich nachvollziehen. Das geht ja soweit, dass ich für die Bilder einen Bühnenraum in diese Halle gebaut habe, sozusagen als Erzählraum für das, was dort an Erzählung geschieht. Aber ich habe keine klassische Dramaturgie im Sinne einer fortlaufenden Erzählung mit dramatischem Höhepunkt benutzt, sondern nur einen ganz offenen, raunenden Erzählraum geschaffen durch die Offenheit des Werks und die Gleichzeitigkeit der Szenen. Das ist eine ganz andere Dramaturgie. Es gibt den Altar, es gibt Höhlenmalerei, aber so eine Art Tafelmontage von einem der Filme macht und das jetzt in Malerei übersetzt und dann wieder als 81 Teile Triptychon montiert, das hat es bisher noch nicht gegeben. Es gibt zwar Filmregisseure, die auch malen, oder auch Schriftsteller, aber das ist meistens so eine Art Hobbymalerei und bezieht sich nicht auf die eigene filmische oder literarische Arbeit.

Ist es einfacher die Zeilen zu lesen oder sollte man einfach in die Triptychen hineinschauen?
Das kann ich einfach beantworten. Sich zu zwingen, die ganzen Zeilen zu lesen, das macht kein Mensch. Was man aber sicher tut, man geht in ein Motiv, ein einzelnes Triptychon rein und die werden dann in der Regel von links nach rechts gelesen. Da gibt es dann Querverbindungen. Als Beispiel die Geburtsszene: Für das Kind ist das ein Riesendrama, aber nachher ist es ganz sauber und glücklich und die Mutter, die unter Schmerzen geboren hat – hier war es schwierig, den Gesichtsausdruck hinzukriegen – auch die ist vollkommen erschöpft und lacht auch, vor Mutterglück. Natürlich auch von den Adrenalinstößen, aber sie lacht. Optisch geht es jetzt von dem Arzt, der da das Absaugding in der Hand hat, direkt runter auf das Bild mit den Mädchen. Der Blick springt immer von der Geburt auf die Mädchen. Das ist ganz komisch. Dann kann ich theoretisch weiterspringen auf das abstrakte Teil, was so Dinge ausspuckt und ich bin immer noch bei so was Animalischem, Geburt und Ausspucken. So ergeben sich ganz viele Verbindungen.

Wie steht es tatsächlich um das Bild der Menschen im Ruhrgebiet auf sich selbst?
Das ist eine interessante Frage. Ich schaue ja noch mal anders, denn ich sehe ja auch von außen auf die Menschen. Ich habe hier zwar die längste Zeit meines Lebens gelebt, aber ich bin kein Ruhrgebietler. Die haben ein viel größeres Problem, die müssen auf sich gucken, auf das, was ihre Geschichte ist und auch das, was ihre großen Probleme sind. Und das ist jetzt wirklich kein Schmonz: Da bewundere und liebe ich die Menschen für ihre Tapferkeit und diese Beharrlichkeit, immer wieder noch mal anzufangen. Da bin ich dann inhaltlich doch dramatisch und melancholisch. Obwohl die Menschen gerade früher, als sie einfach das heiße Stahlzeug hergestellt haben, was sie nachher einfach wieder auf den Kopf gekriegt haben, auch nicht besser dran waren. Es war die totale Zerstörung ihrer eigenen Lebenswelt und das war nicht die Entscheidung der Arbeiter, das war die Entscheidung von Krupp, aber sie waren eben ganz eng mit dem Betrieb verwoben.

Auch auf den Bildern hat niemand was zu lachen.
Zu lachen hat niemand was und trotzdem lacht die Mutter bei der Geburt, sind die Jungs auf dem Bild am Ufer irgendeines Sees, der auch industriell entstanden ist und lachen sich kaputt, phasenweise. Oder dieser Stahlarbeiter mit dem Hut – den liebe ich. Ich habe selber viel in einer Fabrik gearbeitet und ich kenne diese Art von Menschen. Diese herzhaft, gut arbeitenden und kumpelig anständigen, solidarischen Menschen, da ist erst mal die Arbeit, das ist gar nicht politisch: Aufpassen aufeinander, das nichts passiert. Diese ganze Qualität der harten Arbeitswelt, die kenne ich durchaus und ich schätze solche Menschen sehr.

Glauben Sie tatsächlich, dass die Städte für Menschen gebaut sind?
Nein. Da kann ich klipp und klar sagen: Das glaube ich nicht! Ich halte Großstädte für ein schlechtes Ergebnis der menschlichen Zivilisation. Wenn man sieht, was da am Ende rausgekommen ist – Kasernen. Die Menschen leben hier in Kasernen. Nur die Reicheren können es sich leisten, nicht in Kasernen zu leben. Das ist ganz einfach.

Es bleibt also bei der Wüste Ruhrgebiet?
Es bleibt, so böse das ist. Das ist ja hier auch typisch. Aber auf Zollverein fangen die Birken wieder an zu wachsen. Es gibt eben immer in dieser, nennen wir es mal Wüste, auch eine Schönheit der Industriearchitektur, es gibt die Schönheit der verfallenden Architektur und es leben in Wüste die Menschen, ganz beharrlich. Es ist insofern keine böse Wüste, in der man verhungert und verdurstet. So würde ich das sagen.

Noch eine Frage zur Technik: Ihre Triptychen haben keine Seitenflügel?
Ich habe mich nicht auf das kirchliche Triptychon bezogen, sondern sie stammen ganz eindeutig vom der Installation beim „Ruhrwerk“. Die Hauptform das war da ein Triptychon, das gab es drei Leinwände, zwei Stahlplatten und ein gewässertes Kohlebecken als Spiegel. Diese Form haben wir hier auch wieder. Drei Triptychen in einem Block, zwei im größeren und ein weiteres Triptychon im ganz großen Block. Also die Zahl drei kommt automatisch vor und daher stammt diese Form des Tryptychons. Ich habe früher, als ich vom Fernsehen weg bin und Bühnensachen gemacht habe, immer mit mindestens drei Bildern gearbeitet. Drei über fünf bis sieben, das sind Zahlen, die immer entstehen bei Reihungen. Und davon ist das eine mögliche, in der Entfaltung sind das ja hier dreimal drei und so weiter. Das breitet sich sozusagen wieder ins Szenische oder Epische aus.

Wenn man das Gesamtwerk sieht, so wie es an der Wand hängt, kann man das als Malerei gekoppelt mit Filmschnitt bezeichnen?
Könnte man, aber ich habe einen präziseren Begriff dafür gefunden und habe das ursprünglich Filmmalerei genannt. So habe ich immer gedacht, das ist verwaschen, das ist komisch. Dann bin ich auf den Begriff Tafelbild und Montage gekommen. Der eine Begriff aus dem Film, der andere aus der klassischen Malerei. Also Tafelbildmontage.

Klaus Armbuster - „Die Städte sind für Dich gebaut“ – Tafelbildmontage I bis 27.5. I Halle 5, Zeche Zollverein Essen I 0201 854 31 23

Zitat:

„Ich habe mich nicht auf das kirchliche Triptychon bezogen, sondern sie stammen ganz eindeutig von der Installation beim ‚Ruhrwerk‘.“

Bio:

Klaus Armbruster wurde 1942 in Tübingen geboren, hat in Stuttgart Kunst studiert und war bereits in den 1960er Jahren als junger Maler erfolgreich, 1970 tauschte er in der Folge seiner Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und dem Vietnam-Krieg den Pinsel gegen die Filmkamera ein. Fortan nahm er als Filmemacher und Medienkünstler Stellung zur Welt. 1983 kam er ins Ruhrgebiet, als ihn die Universität Essen zum Professor für Film und audiovisuelle Kommunikation berief. Jetzt hat er im Zuge seiner Emeritierung zur Malerei zurückgefunden.

BU:

Kurz vor der Eröffnung. Der Maler steht einsam vor seinem Riesenwerk. Foto: Thomas Pflaum

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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