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Wie weit geht die Faust des kleinen Mannes, und was will er eigentlich?
Foto: Axel J. Scherer

„Ich möchte, dass viele gute Dinge in meinem Brötchen drin sind“

26. Oktober 2011

Dirk Laucke macht aus seiner Performance „Angst und Abscheu in der BRD“ einen politischen Theaterabend – Premiere 11/11

Seit Sommer 2010 recherchiert der Autor Dirk Laucke zusammen mit seinem Mitstreiter Matthias Platz in den linken und rechten politischen Szenen der Republik: Im Laufe dieser Reise ins Herz der Deutschen stoßen sie dabei auf totalitäre Ideologien im Namen des Friedens, der Arbeit, des Volkes, der Heimat, des Hasses, auf revisionistische Sichtweisen der deutschen Vergangenheit und die Grenzen der Vernunft. Festgehalten wird dieses Material auf verschiedenen Tonträgern, Filmmaterialien und in Texten.

trailer: Herr Laucke, die Piraten ziehen in die Parlamente ein. Hat die Linke nun ein Sprachrohr?
Dirk Laucke:
Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass auch die Rechten die Piraten wählen. Ich habe vor zwei Jahren ein Stück mit Hooligans gemacht, Ultras vom Halleschen FC. Viele von denen waren eindeutig rechts gerichtet. Weil die NPD ihnen nicht clever genug erscheint – was ja richtig ist – wählen sie die Piraten. Oder die Linkspartei. Wenn das dann öffentlich wird, kommt erst mal Verwirrung auf. Wie kann es sein, dass Leute, die ganz klar rassistisch sind und das im Stadion äußern, sich den Piraten zuwenden, bei denen man denkt, das sind Linke? Da werden Hebel gezogen, Bilder erzeugt, die sich in die Köpfe prägen: Wir sind die Faust des kleinen Mannes, wir stemmen uns jetzt gegen die Unsäglichen da oben. Im linken wie im rechten Lager wird projiziert auf etwas Undurchschaubares, auf das, was oben ist, und gepocht auf ein natürliches, gegebenes Leben, und dieses natürliche Leben muss zu seinem Recht kommen. Ob das jetzt in der völkischen Einheit oder in diesem Zusammenhalt besteht, sei es hier oder in anderen Ländern, oder in der Fetischisierung des Finanzkapitals als ein rächender Ungeist, der von bestimmten wenigen Menschen gemacht wird, und nicht ein großer Komplex, an dem ziemlich viele Menschen schrauben.

Eine Problematik des Theaterstücks?

Dirk Laucke
Foto: Karoline Bofinger
Dirk Laucke wird 1982 in Schkeuditz/Sachsen geboren, studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin. Er gilt als einer der politischen Theaterautoren seiner Generation und erhält 2010 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI. 2011 wird er mit dem Georg-Kaiser-Förderpreis des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. Das Theater Oberhausen realisiert in einer Koproduktion mit dem Ringlokschuppen Mülheim sein Herzensprojekt „Angst und Abscheu in der BRD“.

Das ist erst einmal Bestandteil der Recherche gewesen. Viel eindeutiger wird der Zusammenhang, wenn Rechte und Linke gegen den Afghanistankrieg sind. Die Jungen Nationalisten, die sind gegen den Afghanistankrieg, und die machen für die Haltung ordentlich Werbung im Internet. Die Linken sind auch gegen den Afghanistankrieg. Die Frage ist dann: Gibt es da Schnittpunkte?

Veganer, Katholiken, Linke. Sie thematisieren auch die Ideologien. Sind die nicht immer totalitär?
Ja. Es gibt aber einen Unterschied. Ob ich mir die Welt erkläre wie bei den Veganern, dass jedes biologische Wesen geachtet werden muss, und dass das den Mittelpunkt meines Lebens darstellt, oder wie bei den Katholiken, dass Gott den Mittelpunkt darstellt, dann ist das erst mal jedermanns Privatsache. Totalitär wird es erst, wenn ich explizit versuche, das auf die gesamte Gesellschaft zu übertragen. Das hat meistens schon was mit Gewalt zu tun, wie man durchsetzen möchte. Aber man muss Unterschiede machen. Die Menschen in der Friedensbewegung werden, selbst wenn man da psychologische Sehnsüchte nach Aggression unterstellen kann, wahrscheinlich nicht die Waffe in die Hand nehmen und an der Seite der Taliban gegen die Bundeswehr kämpfen, obwohl wir so ähnliche O-Töne haben.

Wo bleibt bei all der Politik die Kunst?
Für das Theater, das wir hier schon einige Zeit machen, schaffe ich abgeschlossene Werke, die ich abgebe, und dann zum nächsten gehe. Das heißt, ich produziere, bin ein Produzent. Das Produkt hat hoffentlich etwas zu sagen und ist von mir ausgestattet mit Inhalten. Natürlich wäre es blöd, Produkte abzuliefern, die nicht gefallen oder in irgendeiner Form nichtig sind. Ich möchte, dass viele gute Dinge in meinem Brötchen drin sind. Aber Kunst ist keine interventionistische Maßnahme, durch die jetzt die Welt geändert wird. Es bleibt dem Betrachter überlassen, sich in der Rezeption des Theaterstückes Gedanken zu machen. Es ist toll, wenn das passiert, aber wir machen kein Agitprop.

Ist der Text „Angst und Abscheu in der BRD“ also ein Plädoyer für den Mainstream?
Nein. Ganz und gar nicht. Der Titel sagt es ja selber schon, man kann auch Angst und Abscheu vor dem Mainstream entwickeln. Wir haben zwar rechte und linke Ideologien untersucht, aber tatsächlich ist es so, dass sich in einem Großteil der Bevölkerung nach 1968 mehr oder weniger linke Theorien verfestigt haben. Da kann man ganz klar sagen, die sind ein Teil des Mainstreams geworden. Wie beispielsweise die Aussage: Die USA sind scheiße. Was auch immer damit gemeint ist. Das Stück ist auf keinen Fall ein Plädoyer, aber es ist natürlich eine Kritik am Mainstream.

Ist die breite Masse, der allgemeine Spießer, nicht eher mit der rechten Ideologie vertraut?
Der allgemeine Spießer macht den Aufstand der Anständigen mit. Wir waren auch in Dresden am 13. Februar, wo immer wieder dieser Naziaufmarsch stattfindet, und wo sich immer wieder Gesamt-Dresden dagegenstellt. Natürlich sind nicht nur die bürgerliche Mitte von der CDU über die Kirchen, auch die Antifa und sonst welche Gruppen gegen die Nazis. Innerhalb dieser Gruppen funktionieren aber zum Teil geschichtsrevisionistische Ideen, dass man beispielsweise trotz des Widerstands gegen die Nazis der deutschen Opfer gedenken möchte. Da vermischt sich das total. Natürlich sind alle gegen Nazis, aber es gibt total rechte Elemente, die da bei den Gegendemonstrationen mitlaufen.

Hörspiel, Performance, Theaterstück – welches Medium ist am wirkungsvollsten?
Das kann man so nicht sagen. Jedes Medium hat für sich eine eigene Qualität. In der Performance, die wir im Ringlokschuppen gemacht haben, haben wir einen Reisebericht abgegeben. Das war nicht gestylt. Im Hörspiel spielen die O-Töne eine sehr massive Rolle. Und im Theaterstück erhält das über die Schauspieler noch mal eine Fiktionalisierung. Aber ich kann nicht sagen, das ist am wirkungsvollsten, sondern das sind in einer Linie gedacht eher verschiedene Stadien.

Hat das Stück eine geschlossene Geschichte?
Der Theaterabend geht irgendwann los und endet irgendwann. Aber es gibt insgesamt keine geschlossene Geschichte, nur eine, die eingebettet ist.

„Angst und Abscheu in der BRD“ I Do 10.11., 19.30 Uhr (Uraufführung) I Theater Oberhausen (Malersaal) I 0208 857 81 84

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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