Das Verhältnis von Tierfreund und Haustier ist geprägt von großer Zuneigung, aber auch von eklatanten Missverständnissen, auf beiden Seiten. Dieser sehr speziellen Verflechtung zwischen so unterschiedlichen Lebewesen widmet sich das „Haustierprojekt“ im Kunstmuseum in Kooperation mit der Ev. Hochschule RWL Bochum.
Eine bunte multimediale Mischung aus Bild, Skulptur, Zeitungsartikeln, Masken, Video-, Audio- und Taststationen füllt die gesamte Galerieetage. Ein Plüschtierknäuel hockt neben einem Fotowand-Tableau mit hunderten Tiermotiven aus Privatwohnungen und Aufnahmen stolzer Tiertattoo-Träger. Die Haushund-Auswilderungsinitiative „Fiffy go wild“ begegnet einem Rudel ausgestopfter Tiere, dem Fellmuff der Tante und einem echten Fiffi, der seinen Gassigang filmt. In einem Aquarium huscht ein nervöser Guppy-Schwarm durch ein getöpfertes Medusenhaupt mit schmerzverzerrtem Antlitz.
Wer putzige Katzenbilder erwartet hatte, ist sicher irritiert. Niedlich geht anders, vermenschlicht wird hier nicht. Der präparierte Löwenkopf, die Spinnenreliefs und das „Wildschweinfell aus dem Haushalt eines starken Rauchers“ sind vielleicht nicht jedermanns Sache. Eine Tiernamen-Servicestation beballert den geneigten Zuhörer verbal von „dummer Kuh“ bis zum „lieben Mäuschen“ und beim Griff in die drei Tastboxen ist leichtes Schaudern vorprogrammiert. Provozierend-Voyeuristisches aus der Fetischszene steht neben anrührenden Erinnerungen an das erste Stofftier oder Fremdschäm-Monologen an den Vierbeiner („Gib Pfötchen. Feiiiiin machst du das!“), einem „inversen“ Modellzoo mit Menschenfigürchen in Käfigen oder dem aus Plastikstrandgut modellierten Fisch.
Nicht alles ist hehre Kunst – was gar nicht ging, bevölkert die „Aua-Ecke“, die von Besuchern gern zusätzlich bestückt werden darf. Die Exponate wurden als Ergebnisse von ästhetischer Forschung – sozialen Recherchen und naturkundlichen Beobachtungen – von den Studenten in fünf von Künstlern geleiteten Seminaren geschaffen. Dass die Ausstellung auch für ein Kunstmuseum eine echte Bereicherung ist, hat der Bochumer Künstler und Lehrbeauftragte Matthias Schamp zu verantworten, der die Werke unter Hinzufügung von Zeitungsartikeln und anderen Fundstücken zu einem rhythmisch stimmigen und abwechslungsreichen Environment arrangierte. Ein künstlerischer Transformationsprozess! Alle Sinne und alle Emotionen werden bestens bedient; der Mensch/Tier-Parcours macht Spaß und bietet jede Menge Kommunikationsanlässe.
„Pfötchen für alle!“ – Das Haustierprojekt | bis 25.8. | Kunstmuseum Bochum | 0234 910 42 30 | www.kunstmuseumbochum.de | Eintritt frei
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