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Einblicke in verharmloste Kriminalität: Mafia-Experte Sandro Mattioli und Correctiv-Reporter Marcus Bensmann
Foto: Ava Weis

Geldwäsche statt Mord

04. September 2018

Diskussion über die Mafia in Deutschland auf dem Campfire-Festival – Spezial 09/18

„Eigentlich war es Zufall“, so beschreibt Sandro Mattioli wie er zur Berichterstattung über die Mafia kam. Bei den Recherchen zu möglichen Gift-Ablagerungen in Erde, die von Süd-Italien nach Deutschland transportiert werden sollte, fand er heraus, dass die Mafia finanziell in krimineller Müllentsorgung involviert war. Seitdem begleitet ihn das Thema. So weit, dass er neben seiner journalistischen Arbeit auch im Verein „Mafia? Nein Danke!“ aktiv ist.

Auf die Frage, ob die Mafia in Deutschland aktiv sei, antwortet er, dass sie hierzulande hauptsächlich Rückzugsorte zum Abtauchen hat und vielmehr in Geldwäsche involviert ist, als beispielsweise in Morde. Man verhalte sich, besonders seit dem Sechsfach-Mord in Duisburg im Jahr 2007, ruhig, um nicht aufzufallen. Dadurch werde die Mafia aber unterschätzt. Es fließe sehr viel Geld, was allerdings kaum nachweisbar sei. In jeder Stadt seien Mafiosi bekannt aber nicht belangbar, da es in Deutschland nicht strafbar sei, Mitglied der Mafia zu sein. Die Gesetzeslage sei sogar so schlecht, dass man Geld nicht beschlagnahmen könne, wenn es nicht eindeutig zuzuordnen sei. Anders in Italien, wo die Polizei bereits verdächtige Wertgegenstände einziehen könne. Immerhin sei es mittlerweile möglich, Nachforschungen anzustellen, wenn die Mitgliedschaft bei der Mafia bestätigt ist.

Die Verharmlosung der Mafia sei zusätzlich durch ein falsches Bild in Filmen und in der Gastwirtschaft entstanden. Der nette Italiener um die Ecke könne ja schlecht ein Krimineller sein. Strukturiert sei die Organisation in klassischen „Ortsvereinen“, die traditionelle Aufteilung werde allerdings immer häufiger aufgebrochen. Die unterschiedlichen Zellen hätten eine gewisse Autonomie, höhere Entscheidungen würden aber weiterhin in Italien gefällt. Die einzelnen Leitungen stünden in stetem Austausch untereinander. Die Kommunikations-Strukturen seien aber weiterhin unklar. Einzelne Personen, die er nicht nennen könne, so Mattioli, würden beobachtet.

Ein großes Problem in Bezug auf die Berichterstattung sei, dass Original-Unterlagen der Sicherheitskräfte in Deutschland nicht zugelassen seien. So sei ein BKA-Bericht aus dem Jahre 2008 nicht verwendbar. Deswegen sei man als Journalist*in auf Aussteiger und auf Material aus Italien angewiesen.

Die Gefahr für Journalist*innen ist aber laut Mattioli gering. Es gebe zwar Einschüchterungen und Beschattungen, doch die Mafia wisse zu genau, dass sie niemandem etwas antun darf, um weiterhin unsichtbar zu bleiben. Die Berichterstattung sei deswegen aber nicht weniger wichtig. Aus einer kleinen Anfrage der Grünen im Bundestag ging hervor, dass offiziell 585 Personen in Deutschland leben, die in irgendeiner Weise mit der Mafia zu tun haben. Ansonsten gäbe es aber „keine Erkenntnisse“. Inoffiziell werde jedoch von 60 Lokalen mit jeweils mindestens 49 Personen ausgegangen. Das mache gut 2900 Personen.

Auf Nachfrage aus dem Publikum, ob sich die Wahrnehmung in der Gesellschaft ändern müsse, antwortet Mattioli, dies sei wichtig, aber weiterhin schwierig. Obwohl so viel Leid auf das Konto der Mafia gehe, werde sie verniedlicht. Er habe eine noch unvollständige Liste, aus der rund 50 Morde hervorgehen. Doch die Verbrechen könnten der Mafia nur in den seltensten Fällen zugeschrieben werden. Mittlerweile sei sie besonders im Immobilien-Geschäft aktiv, wobei nicht nur einfache Häuser gekauft, sondern ganze Unternehmen übernommen würden. Die Mafia stehe also nicht wirklich unter Druck, so Mattioli weiter. Man stehe in regem Austausch mit anderen Organisationen, z.B. albanischen Kriminellenvereinigungen, und tausche sogar Dienstleistungen aus. Man habe erkannt, dass es von Vorteil sein kann, Allianzen zu bilden und Bereiche aufzuteilen. Bekriegung sei nicht mehr rentabel. Ebenso gebe es vereinzelt auch Verwurzelungen in die Politik, die aber nicht so strukturiert seien, wie in Italien. Es sei allerdings problematisch, dass manche Leute nicht belangt werden könnten. Mangelnde Sensibilisierung und die schlechte Gesetzeslage täten ihr Übriges.

Abschließend spricht Mattioli sich auf Nachfrage aus dem Publikum für eine eigene Finanz-Polizei nach italienischem Vorbild aus. Es sei eine gute Idee, die ausgebaut werden müsse. Denn die Möglichkeiten für ein effizientes Arbeiten sei noch nicht gegeben. Man müsse Finanzwege stärker kontrollieren. Ob es helfe, eine Bargeld-Reduzierung einzuführen, bezweifet er aber. Die Mafia sei im Gegensatz zu früher bargeldlos und vermehrt digital unterwegs.

Ava Weis

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